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St. Martin
Bild: medio.tv / Zerhau

St. Martin

Helmut Wöllenstein
Ein Beitrag von Helmut Wöllenstein, Evangelischer Pfarrer, Marburg
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Das Bild kennen wir aus unseren Städten. Auf dem Bürgersteig sitzt jemand und bettelt. Die meisten gehen vorbei. Sie sehen die Person und schauen weg. Andere geben eine Münze und wirken erleichtert: Dem Armen hilfts - und mir schadet‘s nicht.

Die Geschichte von Martin

Das hat er anders damals gemacht, der Mann, an den dieser Tag heute erinnert. Der 11. November, viele kennen sogar seinen Namen: Martinstag. Und die Geschichte geht so: Es war Winter. Martin, ein römischer Offizier, reitet morgens auf seinem Pferd durch das Tor der Stadt Amien. Da sieht er einen Bettler sitzen, nackt. Martin zieht das Schwert und schneidet seinen Mantel durch. Eine Hälfte gibt er dem Armen, die andere Hälfte zieht er sich selbst wieder um.
Die Leute lachen: Wie sieht das denn aus, diese beiden so ungleichen Männer in demselben kaputten Mantel? Hätte der Reiter dem Armen Almosen gegeben, - so wie wir – dann hätte der sich abends vielleicht eine Jacke kaufen können.

Warum Martin so handelt

Wirklich, was Martin tut, ist unvernünftig. Der Mantel gehört ihm nicht, er ist Teil seiner Ausrüstung. Er wird ihn ersetzen müssen. - Warum hat er das getan, so ganz ohne Berechnung

Hat er getan, was viele von uns tun würden? Einfach aus Mitgefühl. Die Psychologie spricht von Spiegelneuronen, die wir alle im Gehirn haben. Sie machen uns fähig, dass wir uns in ein Gegenüber hineinversetzen können, uns eins zu eins einfühlen können. Martin sieht einen nackt in der Kälte sitzen. Der kann krank werden, kann sterben. Und er spürt: Du bist wie der, der ist wie du. Er wird dem Bettler gleich, in diesem Punkt. Er schneidet seinen Mantel durch. Und bleibt doch auf dem Pferd, bleibt Legionär. Er gibt nicht alles, sondern nur die Hälfte. Ganz pragmatisch. So dass beide gut überleben können.

Sich von Menschen in Not berühren lassen

Viele von uns lassen sich berühren von Menschen in Not. Sie spenden regelmäßig und auch noch spontan bei Erdbeben oder Flutkatastrophen. Hochwirksam ist das. So vielen wird geholfen. Andere geben ihre Zeit. Kümmern sich um Kranke oder Alte. Um Menschen, die Kummer haben.

Natürlich wäre es besser, wenn wir kein Mitleid brauchten. Besser wäre eine gerechte Welt. Alle gut versorgt, keiner müsste hungern, frieren, betteln. Keiner müsste übers Mittelmeer zu uns kommen und an den Toren unsere Städte und Staaten auf Hilfe warten. Die Fluchtursachen wären behoben – eine gerechte Weltwirtschaft ist besser als die besten Spenden.

Jeder Schritt aus Mitgefühl ist ein Schritt an Martins Seite

Natürlich wäre es besser. Doch jeder Schritt, der dazu führt, ist ein Schritt an Martins Seite. Wie die Schritte heute Abend beim Umzug zum Martinstag. Familien und Kitas mit Kindern, tragen Laternen ins Dunkel und singen. Martin geht voran.

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