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Wohin gehen die Toten?
Bild: Pixabay / Gerd Altmann

Wohin gehen die Toten?

Helmut Wöllenstein
Ein Beitrag von Helmut Wöllenstein, Evangelischer Pfarrer, Marburg
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Jetzt im November besuchen viele von uns einen Friedhof. Die Gräber werden gemacht für den Winter. Man pflanzt Heide. Stellt Rosen hin oder ein Gesteck, für die, die noch nicht lange verstorben sind. Zündet Windlichter an. Mir fällt auf, dass zwischen den Gräbern immer mehr Plätze frei bleiben.

Unterschiedliche Formen und Arten der Bestattung

Vor Jahren dachte man noch, bald ist der Friedhof zu klein. Doch jetzt werden immer mehr Menschen anders bestattet. Sie lassen sich verbrennen, die Asche wird im Friedwald beigesetzt, anonym auf einer Wiese ausgestreut oder im Meer. Vielleicht will man Kindern und Enkeln, die weit entfernt wohnen, keine Arbeit machen. Oder es steht eine Überzeugung dahinter: Wenn du tot bist, brauchst du keinen Ort. Nicht hier auf der Erde und auch nirgends sonst. Denn da ist nichts, was von dir bleibt.

Überholte Vorstellungen für ein Leben nach dem Tod

Vielleicht denken Sie, jemand von der Kirche muss diese Einstellung komplett ablehnen. Doch das tue ich nicht. Manche der alten Vorstellungen sind kaum noch tragfähig: die Toten fliegen zum Himmel und schauen von Wolke 7 aus zu, was die Familie macht. Wer glaubt das denn wirklich? Oder das Schema auf vielen alten Gemälden: Die einen schmoren in der Hölle, die anderen singen mit den Engeln. Sich davon frei zumachen halte ich für gut und tröstlich.

Wohin aber gehen die Toten? Was wird aus mir?

Und doch ist damit noch nicht diese große und tiefgehende Frage unserer Existenz beantwortet: Wohin gehen die Toten? Was wird aus mir? Wo ist mein Vater, der vor gut 30 Jahren ging, und meine Mutter, die einen bitteren Krebstod starb, als ich 15 war. Sind sie nur noch in den Geschichten, die wir Geschwister uns erzählen? Ich glaube nicht. Ich glaube, sie sind eingegangen in diese große Kraft, aus der alles, was ist, hervorgeht und wieder zurückfließt.

Ich glaube: Die Toten ruhen in Gott

Ich glaube, die Toten ruhen in Gott. Wie das ist und wo? Das ist für mich ein Geheimnis. Ich sehe es mit Respekt. Und auch mit der Neugier, mir vorsichtig die Bilder auszumalen, von denen mein Glaube erzählt.

Er sagt zum Beispiel: Es wird Licht sein an diesem Ort. Oder es wird Frieden sein. Versöhnung. Kein Hass mehr. Kein Schmerz, kein Leid und kein Geschrei. Alle Tränen werden von unseren Augen abgewischt. --- Ist das schon wieder zu viel gesagt, zu naiv? Leicht zu durchschauen als Phantasien unserer Sehnsucht?

Was in den biblischen Bildern für ein Leben nach dem Tod steckt 

Für mich ist es das nicht. Denn in diesen Bildern steckt das Leben selbst. Es sind Visionen gegen alles, was unser Leben dunkel macht. Gegen das, was uns sterben lässt. Gegen die Macht des Todes. Es ist vielleicht auch ein Protest gegen die Selbstgewissheit, mit der manche heute zu wissen meinen: Mit dem Tod ist alles aus. Mein Glaube lässt mich daran zweifeln. Ich hoffe da ist mehr! - Mehr nicht. Aber auch nicht weniger. 

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