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Ein Kranich aus Origami
Pixabay/ Anke Sundermeier

Ein Kranich aus Origami

Sabine Müller-Langsdorf
Ein Beitrag von Sabine Müller-Langsdorf, Evangelische Pfarrerin, Zentrum Oekumene, Frankfurt
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Am Regal neben meinem Schreibtisch hängt ein gefalteter Kranich aus Papier. Ich habe ihn zu Beginn meiner Arbeit als Friedenspfarrerin geschenkt bekommen. Origami heißt die Papierkunst aus Japan, mit der man solch einen Kranich falten kann. Durch präzises Falten quadratischer Papierstücke entstehen zwei- oder dreidimensionale Objekte wie Tiere, Papierflieger oder kleine Schachteln. Ich hätte vermutlich weder Geduld noch genügend Präzision für diese Kunst. Aber heute, am 25.Oktober, denke ich an ein Mädchen in Japan, das mit dem Kranichfalten Geschichte geschrieben hat.

Leukämie, eine Krebserkrankung, die häufig bei Überlebenden der Atombombenabwürfe in Japan aufgetreten ist

Sadako Sasaki war zweieinhalb Jahre alt, als am 6.August 1945 eine Atombombe auf ihre Heimatstadt Hiroshima geworfen wurde. Sadako überlebte und wuchs anschließend scheinbar gesund heran. 10 Jahre später wurde bei ihr Leukämie diagnostiziert, eine Krebserkrankung, die bei Überlebenden des Atombombenabwurfes häufig aufgetreten ist.

Origami-Kraniche falten gegen den Krebs

Sadakos beste Freundin erzählte ihr damals von einer alten japanischen Legende: wer 1000 Origami-Kraniche falte, bekäme von den Göttern einen Wunsch erfüllt. Sadako begann daraufhin, während ihres mehrmonatigen Krankenhausaufenthaltes Papierkraniche zu falten. Ihr Bruder Masahiro Sasaki spricht von insgesamt rund 1600 Kranichen, die Sadako bis zu ihrem Tod faltete. Am 25. Oktober 1955 starb Sadako Sasaki. Ihre Geschichte kennt in Japan jedes Kind, und der gefaltete Kranich wurde zu einem weltweiten Symbol für Frieden und gegen den Atomkrieg.

Der Kranich ist in Japan ein Symbol des Glücks

Eine traurige Geschichte und zugleich eine Hoffnungsgeschichte. Der kleine Papierkranich neben meinem Schreibtisch erinnert mich an die Zerbrechlichkeit des Lebens und die Gewalt durch Kriege. Der Kranich ist in Japan ein Symbol des Glücks und eines langen Lebens. Sadako wurde nur 12 Jahre alt. Sie hat mehr als 1000 Kraniche gefaltet. Ihr Tun ist einem ganzen Volk bis heute Mahnung zum Frieden.

Der Atomwaffenverbotsvertrag wurde von Deutschland noch nicht unterschrieben

Der Kampf um die Abschaffung von Atomwaffen ist seit Hiroshima ein langer Prozess. Er braucht offensichtlich wie das Falten in der Origamikunst Geduld und präzise Kniffe. Die letzte Idee dazu ist der Atomwaffenverbotsvertrag. Eigentlich ganz einfach: Weg mit diesen Dingern. Sie zerstören das Leben von Menschen und Umwelt über Generationen. Mein Land hat diesen Vertrag bisher nicht unterschrieben. Denke ich an Sadako, würde ich es mir wünschen.

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