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Eine Rede gegen das Höhenprofil
GettyImages/Irina Shatilova

Eine Rede gegen das Höhenprofil

Sabine Müller-Langsdorf
Ein Beitrag von Sabine Müller-Langsdorf, Evangelische Pfarrerin, Zentrum Oekumene, Frankfurt
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Heute beginnen in Hessen die Herbstferien. Die eine oder der andere, die frei haben, werden wie ich den Rucksack packen und wandern gehen. Dazu hätte ich früher eine Wanderkarte mitgenommen, mit rot markierten Wegen und feinen Linien, die Hügel und Berge einer Gegend anzeigen. 

Wander-App statt Wanderkarte

Heute macht das eine Wander-App auf meinem Handy. Sie schlägt mir Touren vor, beschreibt präzise den Wegverlauf. Eine feine Sache. Nur bei einem Wort in der Wander-App stutze ich: Wenn da vom sogenannten „Höhenprofil“ die Rede ist. Das ist eine Grafik mit Zacken hoch und runter. Die Grafik zeigt alle Bergaufs und Bergabs meiner Wegstrecke mit genauen Kilometerangaben. Die zusammengezählten Meterfür Aufstiege und Abstiege sind eine entscheidende Angabe für den Zeitaufwand und den Kraftaufwand, wenn ich in bergiger Umgebung wandere.

Beim Wandern und im Leben gehören Höhen und Tiefen dazu

Aber mich stört das Wort "Höhenprofil". Als ginge es im Leben immer nur bergauf. Wer wandert, weiß: Höhen und Tiefen gehören dazu und haben ihre Eigenheiten: Schwitzen bergauf, Knieweh bergab. Schöne Ausblicke oben, ein entspannter Weg am Bach entlang im Tal unten. Zum Leben gehört Hohes und Tiefes. Wie es im Psalm von Gottes Wegbegleitung durchs Leben heißt: „Gott weidet mich auf einer grünen Aue und führt mich zum frischen Wasser. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich ein Unglück...“ (Psalm 23)

Es ist wichtig, sich den Weg zuzutrauen

Grüne Aue, tiefes Tal. Wichtig scheint mir, aufzubrechen, sich einen Weg zuzutrauen, loszugehen. Die Kräfte einteilen zu lernen für Höhen und für Tiefen. Das Leben als eine Zeit und einen Raum zu begreifen, in dem ich durch Tiefes und Hohes gehe. Dazu braucht es ein Zutrauen in die eigene Kraft. Eine Portion Neugier und bei allen Apps oder Wanderkarten auch das Wissen, wo ich Hilfe finde, wenn ich alleine unterwegs bin. Denn nicht alles im Leben ist mit eigener Kraft zu bewältigen.

In Gesellschaft wandert es sich angenehm

Und wenn ich in Gesellschaft gehe, merke ich bei manch einem Gespräch auf dem Weg im wahrsten Sinne des Wortes, wie es mir geht. Die mitgehen, machen mich auf andere Dinge aufmerksam, weiten meinen Blick und können helfen, wenn ich stolpere. Im Psalm von den grünen Auen und dunklen Tälern geht Gott mit als guter Hirte. Alle Wege: „Denn du bist bei mir“ heißt es. Wie gut, nicht alles aus mir heraus können zu müssen.

Wenn ich in den Herbstferien aufbreche zum Wandern, freue ich mich auf Höhen und Tiefen. Auf Ausblicke und Pausen, auf Anstrengung und Entspannung. Ich hoffe: Dabei erfahre ich Gottes gute Gegenwart und Begleitung. Der Psalm sagt am Ende: Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“

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