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Das Ich und das Es
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Das Ich und das Es

Stephan Krebs
Ein Beitrag von Stephan Krebs, Evangelischer Pfarrer, Langen
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Manchmal ringe ich innerlich mit mir selbst. Das kennen sicher viele. Ich tue oder empfinde etwas, obwohl ich es eigentlich für falsch halte. Ich bin neidisch – dabei wäre ich lieber großzügig. Oder ich komme mir egoistisch vor statt zugewandt, ängstlich statt selbstsicher. Ich kämpfe dagegen an. Aber es ist so schwer, im richtigen Moment das Richtige zu tun.

Der Apostel Paulus und das Ringen mit sich selbst

Dieses innere Ringen mit sich selbst kennt in der Bibel auch der Apostel Paulus sehr gut. Er hat es treffend so beschrieben: „Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht. Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, tue ich.“ (Römer 7,19)

Der innere Schweinehund

Woher kommt das und was kann man dagegen tun? Manche nennen diese Kräfte den inneren Schweinehund und sagen: „Den musst du eben überwinden.“ So gesehen ist das Leben ein ewiger Ringkampf mit sich selbst.

Sünde - die Kraft, die einem vom Guten abhält

Paulus nennt die Kräfte, die ihn vom Guten abhalten: Sünde. Und er hat erlebt, wie man sie überwindet: Für ihn, den gläubigen Juden und Vordenker des Christentums, war das eine Sache, die er mit Gott ausgemacht hat. Der innere Kampf entscheidet sich, indem man sich der Liebe Gottes öffnet, die Jesus Christus verkörpert. Diese Liebe verwandelt einen und kann helfen, die eigene Sünde zu überwinden: seien es Egoismus, Neid, Ängste und vieles andere.

„Das Ich und das Es“ - Sigmund Freud und die Analyse der menschlichen Psyche

Heute vor 100 Jahren kam eine neue Deutung dazu. Der Psychoanalytiker Sigmund Freud veröffentlichte sein Buch „Das Ich und das Es“. Damit legte er seine Analyse der menschlichen Psyche vor. Freud beschrieb die innere Entwicklung des Menschen grob gesagt so: Der Mensch hat zwei gegensätzliche Kräfte in sich, aus denen sich seine Persönlichkeit formt. Auf der einen Seite stehen Normen und Ideale. Die nennt Freud das Über-Ich. Ihm stehen dunkle Triebe und das Unbewusste gegenüber, Freud nennt sie das Es.

Der Mensch wird nun erwachsen, indem sich zwischen diesem Es und dem Über-Ich seine Persönlichkeit bildet. So entsteht ein erwachsenes, selbstbewusstes Ich.

Der Mensch muss lernen mit dem dunklen Es umzugehen

An diesem Bild finde ich eines besonders stark – und auch tröstlich: Dieses dunkle Es ist nicht mein individuelles Versagen, mein schlechter Charakter. Sondern das ist normal. Ich muss damit nur umgehen lernen. Wie alle anderen auch.

Der Begriff der Sünde wurde mißverstanden

Die Überlegungen von Sigmund Freud haben die Sicht auf den Menschen verändert – auch in der christlichen Seelsorge. Dabei hätte man das bereits von Paulus lernen können. Denn auch für ihn bedeutete die Sünde nicht, minderwertig zu sein, sondern schlicht von Gott getrennt zu sein. Aber leider wurde der Begriff Sünde missverstanden, als sei sie eine moralische Verfehlung. In Wahrheit ist die Sünde eine innere Kraft, die zunächst einmal in jedem Menschen steckt. Und die, so hat es Paulus erlebt, kann in der Liebe Jesu Christi ins Positive gewendet werden.

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