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Lenas Restaurant auf Lesbos
GettyImages/Joel Carillet

Lenas Restaurant auf Lesbos

Sabine Müller-Langsdorf
Ein Beitrag von Sabine Müller-Langsdorf, Evangelische Pfarrerin, Zentrum Oekumene, Frankfurt
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Lena ist klein und drahtig, raucht selbstgedrehte Zigaretten und betreibt mit zwei anderen Frauen ein Restaurant auf der griechischen Insel Lesbos. Es liegt im Hafenviertel der kleinen Hauptstadt. Dort kommen seit Jahrtausenden Menschen von einem Kontinent zum anderen an, machen Rast, warten aufeinander, ziehen weiter.

Ein Restaurant für geflüchtete Menschen

In den letzten Jahren waren es Hunderttausende von Kriegsflüchtlingen aus Syrien, dem Irak, aus Afghanistan. Lena und ihre Freundinnen haben ihrem Restaurant den Namen „NAN“ gegeben. Das heißt „Brot“ in der Sprache Farsi. Im Restaurant arbeiten Menschen aus Afghanistan, dem Irak, aus Pakistan und aus Griechenland. Das schlägt sich in der Speisekarte nieder. Zu den kulinarischen Leckerbissen aus all diesen Ländern wird immer frisch gebackenes Fladenbrot gereicht, Nan eben. Lena möchte mit ihrem Restaurant geflüchteten Menschen Arbeit geben und einen Ort anbieten, an dem alle willkommen sind. Für kleines Geld und mit viel improvisiertem Ambiente.

Es gab öfter Widerstände

Der Laden läuft mal gut, mal weniger gut. Zu Anfang bekam Lena auffällig lange keine Lizenz für dieses soziale Restaurant. Einmal wurde das Außenmobiliar von vorbeifahrenden Motorrädern demoliert, vermutlich von Leuten, die gegen Flüchtlinge auf der Insel sind. Manchmal wirkt Lena sehr müde. Sie hat so viel Zeit und Engagement in dieses Projekt gegeben. Ich frage sie: “Lohnt sich der Aufwand? Woher hast du die Kraft?“

"Bevölkerungsaustausch" zwischen der Türkei und Griechenland

Lena schaut mich an, dreht sich eine neue Zigarette und sagt: Ich erzähle dir, was meine Motivation ist. Die Geschichte dazu ist hart und traurig und hängt mit meiner Oma zusammen. Meine Großmutter kam vom Schwarzen Meer. Da lebten für Jahrhunderte viele Griechen. Nach dem Krieg zwischen der Türkei und Griechenland vor hundert Jahren musste meine Oma ihre Heimat verlassen. Man nannte das damals „Bevölkerungsaustausch“, na ja, es war eher eine Zwangsdeportation.

Beschimpft, obwohl sie Griechin war

Meine Oma und ihre Familie kamen nach Griechenland, klar. Da waren Sprache und Schrift, die sie kannten. Sie siedelten sich am Stadtrand von Athen an. Als meine Oma eines Tages über den Hof ging, um Wasser zu holen, wurde sie von einem Nachbarn beschimpft. „Du dreckige Ausländerin“.

Ein Restaurant gegen die Folgen von Fremdenhass

Lena hält inne, rollt die Augen, zeigt auf sich selbst und sagt: „Schau mich an, dann weißt du: Meine Oma war nicht ängstlich. Sie keifte zurück und sagte dem Mann, sie sei Griechin wie er und überhaupt, alle Menschen seien gleich.“  Da nahm der Mann einen Stein und traf meine Oma so stark an Kopf, dass sie sich schwer verletzte und ein paar Tage später an den Folgen der Verletzung starb. Meine Mutter schnappte sich uns Kinder und ging fort aus Athen. So kam ich nach Lesbos. Ich weiß, was es heißt, fremd zu sein und ich weiß, wie schlimm die Folgen von Fremdenhass sein können. Darum betreibe ich NAN.“ Dann nickt Lena und reicht mir ein Stück Brot.

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