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Sehr zum Segen!
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Sehr zum Segen!

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Ich habe einen Freund, den ich gerne treffe. Wir sitzen dann zusammen, plaudern über Gott und die Welt und trinken ein Glas Wein. Jedes Mal, wenn wir dann die Gläser zum Anstoßen erheben, sagt er: „Sehr zum Segen!“ Am Anfang fand ich das immer ein bisschen manieriert, aber mit der Zeit kann ich diesem Ritual etwas abgewinnen.

Ein kirchlicher Segen zum Weintrinken

Gerade beim Wein gibt es noch einen tieferen Sinn, weil Alkohol ja auch schädlich sein kann. Manche geraten in Abhängigkeit, andere werden aggressiv. Da macht es doch Sinn, sich beim Anstoßen gegenseitig zu wünschen, dass dieses Glas eben nicht zum Schaden sein soll, sondern zum Segen. „Sehr zum Segen“ – das ist eine religiöse Formulierung. Vielleicht hat mich das anfangs irritiert. Ein kirchlicher Segen zum Weintrinken, das wirkt irgendwie unpassend. Aber vielleicht ist das sogar das letzte Überbleibsel von einem Tischgebet, das man heute nur noch sehr selten antrifft.

Segen gibt es auch im Alltag

Aber damit ist das Segnen nicht aus der Welt verschwunden. Und es ist auch keinesfalls nur auf die Kirchen beschränkt. Man könnte meinen, dass nur die Pfarrerin beziehungsweise der Pfarrer am Ende des Gottesdienstes die Besucher segnet, oder die Kinder zur Taufe. Aber so ausschließlich ist das Segnen gar nicht. Mütter machen es ähnlich, wenn sie ihre Kinder morgens zur Schule schicken und ihnen dann an der Tür noch einmal die Hand auf den Kopf legen. Als Geste, die sagen soll: Geh hin im Frieden. Oder der Mann, der seine Frau am Bahnhof verabschiedet, und dann, wenn der Zug losfährt, die Hand hebt, sie leicht hin und herbewegt. Das ähnelt dem Pfarrer in der Kirche, der zum Segen ja auch die Hände hebt. Das Winken auf dem Bahnhof ist dann so eine Art Reisesegen, der sagen soll: Ich wünsche dir einen guten Weg, und gerade weil das nicht in unserer Hand liegt, braucht es dafür einen Segen.

Segen als Ritual gegen die Unberechenheit des Schicksals

Mit dem Segen reagieren wir auf die Unverfügbarkeit des Schicksals. Das Leben ist von so vielen Faktoren abhängig, die ich alle gar nicht bedenken kann. Alle Pläne, die ich mir für den Tag und für mein Leben mache, bleiben letztlich offen. Es kann plötzlich alles ganz anders kommen. Das Leben liegt nicht in unseren Händen. Um mit dieser Unsicherheit umgehen zu können, sind Rituale wichtig. Zum Beispiel das Ritual zu segnen.

Benedictus - Ich spreche es gut!

In der lateinischen Sprache wurde der Segen früher mit Benedictio übersetzt. In der Musik hat das noch überlebt, wenn in der Messe nach dem Sanctus das Benedictus kommt. Benedictus heißt: Ich spreche es gut! Das kann ich immer machen, wenn mir das Wohlergehen des Anderen auf der Seele liegt: Beim Winken auf dem Bahnhof, beim Verabschieden der Kinder, oder eben auch beim Weintrinken mit dem Freund. Sehr zum Segen heißt dann: Dein Schicksal liegt nicht in meiner Hand, aber ich lege es in Gottes Hand, weil du mir wichtig bist.

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