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"Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war." (Mt. 13,44)
Bild von Dean Moriarty auf Pixabay

"Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war." (Mt. 13,44)

Carsten Noll
Ein Beitrag von Carsten Noll, Katholischer Pfarrer und Administrator in der Pfarrei St. Michael, Hilders-Eckweisbach
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Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!

Ich muss zugeben, dass es schon etliche Jahre her ist, dass ich in Sachen "Aktuelles Kinoprogramm" auf dem Laufenden gewesen bin. Ich weiß nicht, wie das bei ihnen aussieht? Doch vor kurzem aber habe ich mitbekommen, dass unlängst der wohl letzte Film aus der fast schon legendären Indiana-Jones-Reihe im Kino angelaufen ist. "Unfassbar!", dachte ich zunächst. Dass Harrison Ford noch einmal als "Indiana Jones" im Film in altbewährter Manier zu sehen sein wird, erschien mir für den Moment unwahrscheinlich. Immerhin ist der Schauspieler inzwischen 81 Jahre alt. Wenn ich da an die rasanten Szenen der vergangenen Indiana Jones Filme denke, eine echte Herausforderung! Aber die Möglichkeiten, die das Film-Business bietet, sind halt doch andere als die, die einem gewöhnlichen 80-Jährigen im Alltag zur Verfügung stehen. Hier gibt es weder Stuntmen noch Maskenbildner. Egal. Ich hoffe, dass ich mir den neuen und letzten Film demnächst anschauen kann.

Verrückt nach Indiana Jones

Ich war als Jugendlicher einfach nur fasziniert von Indiana Jones. Im Film, der in den 1930er Jahren spielt, ist er als Dr. Henry Walton Jones jr. zunächst von Beruf Professor für Archäologie. So wird er am Anfang der Filme immer sehr ordentlich bei seinen Vorlesungen im Marshall-College in Connecticut gezeigt. Aber dann bricht er als "Indiana Jones" immer wieder aus dem sehr trocken wirkenden Hörsaalambiente zu spannenden Abenteuern auf. Ziel und Auftrag ist es für ihn, die großen archäologischen Schätze der Geschichte aufzuspüren und diese dann in die Hände "der Guten" zu übergeben. Währenddessen sind im Film die Nazis als Gegenspieler in missbräuchlicher Absicht ebenfalls auf der Jagd nach denselben Kostbarkeiten. Die Suche nach der sagenumwobenen biblischen Bundeslade und erst recht das Aufspüren des heiligen Grals des letzten Abendmahls Jesu haben mich natürlich besonders fasziniert! Und das so sehr, dass bis heute eine Nachbildung des original Indiana-Jones-Huts in meinem Kleiderschrank liegt, den ich mir Anfang der 90er Jahre in einem Paderborner Hutgeschäft gekauft habe. Sogar eine Nachbildung der Professor-Jones-Brille trug ich in jener Zeit. "Schon ein bisschen verrückt!" mag manch einer von ihnen jetzt vielleicht denken. Aber so war es. Ich war einfach begeistert. Überhaupt: Die Suche nach Schätzen, das gespannte Befolgen einer Schatzkarte, in der Hoffnung, tatsächlich einen kostbaren Schatz zu finden und zu heben, das kann die Fantasie eines jungen Menschen kaum kalt lassen.

Musik: Indiana Jones (Theme) - Berliner Philharmoniker, Dirigent: Simon Rattle

Sie fragen sich jetzt vielleicht, welche Gedanken könnte die Abenteuerfilmreihe "Indiana Jones" zu einer katholischen Morgenfeier am Sonntag beisteuern? Hier geht es doch sonst eher um biblische Themen. Das ist korrekt und auch heute so. In den katholischen Gottesdiensten an diesem Sonntag spielt ein Abschnitt aus dem 13. Kapitel des Matthäusevangeliums eine besondere Rolle. Hier geht es um eine Reihe von Gleichnissen, mit denen Jesus versuchte, den Menschen seiner Zeit zu erklären, was er meinte, wenn er vom Himmelreich sprach. Das "Himmelreich" versteht er nicht einfach als einen Ort, an dem sich die auf der Erde verstorbenen Menschen aufgehoben fühlen dürfen. "Himmelreich" im Sinne des Evangeliums ist das bewusste Leben in der Gegenwart Gottes im Hier und Jetzt.

Mit dem Himmelreicht ist es wie mit einem Schatz

So erzählt Jesus im Evangelium: "Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn und grub ihn wieder ein. Und in seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker. Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte sie." (Mt 13, 44-46)

Meiner Meinung nach hört sich das alles schon ein wenig abenteuerlich an, was Jesus da über das Himmelreich erzählt: Ein Schatz im Acker, der aufgespürt werden muss, und eine kostbare Perle, der nachgejagt wird. Da wird in beiden Fällen höchster Einsatz gefordert. Da kann ich nicht anders, als an die aufreibenden Abenteuer des Indiana Jones zu denken, der vor vielen Rätseln und zu lösenden Fragen steht. Nicht selten muss er sich gegen Widersacher und Verfolger wehren. Unweigerlich kommt in mir die Frage auf: Wenn ich tatsächlich näher mit diesem Gott in Berührung kommen möchte, wenn ich noch überzeugter und überzeugender Christ sein will in dieser Welt, muss ich dann so eine Art Indiana-Jones-Christ sein? Sollte ich vielleicht den Hut wieder einmal aus meinem Schrank herausholen? Brauche ich vielleicht sogar die Peitsche, die ja auch zur typischen Ausstattung des Schatzjägers im Film gehörte. In etlichen brenzligen Situationen konnte er sich damit verteidigen oder geschickt aus der Affäre ziehen. Spontan möchte vielleicht manch einer sagen: "Genau das ist die richtige Ausstattung für Christsein in der heutigen Zeit. Manchmal möchte man da einfach einen Hut haben, den man bei Gelegenheit tief ins Gesicht ziehen kann, um unerkannt zu bleiben. Mitunter hätte man auch Lust, die Peitsche zu schwingen, wenn einem wieder einmal etwas tierisch auf die Nerven geht. Beim einen mag das öfter innerhalb der Kirche der Fall sein, der oder die andere fühlt sich vielleicht dazu versucht, wenn die Kirche wieder einmal in der Öffentlichkeit erbarmungslos durch den Dreck gezogen wird.

Christ sein – Schatzsucher sein?

Tatsächlich kommt man sich als "Kirchenmensch", als Priester, in der heutigen Zeit manchmal so vor, als jage man den Schätzen der Vergangenheit nach. Und auch das Evangelium suggeriert, zumindest auf den ersten Blick, als brauche es für das Christsein immer wieder nicht nur vollen Einsatz, sondern totale Hingabe und Verzicht auf alles andere, was im Leben sonst wichtig erscheinen könnte. Sowohl der "Schatzfinder" als auch der "Perlensucher" müssen im Evangeliumstext alles, was sie besitzen, verkaufen, um das zu erlangen, was sie ersehnen.

Ist es so wirklich mit dem Himmelreich? Tatsächlich, wenn ich mir als Theologe viele Betrachtungen und Kommentare zu diesem Evangeliumsabschnitt anschaue, läuft alles in diese Richtung. Doch die logische Konsequenz daraus wäre, dass ich mir den Himmel tatsächlich verdienen muss, dass es darauf ankommt, was ich einsetze. Ein Kampf, ähnlich, wie Indiana Jones im Film seine inneren und äußeren Kämpfe zu bestehen hat.

Musik: Jehan Alain – Luttes

Im Evangelium sagt Jesus, dass es sich mit dem Himmelreich verhält, wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben ist. Ebenso sei es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann auf der Suche nach der schönsten Perle. In einem Fall muss der Finder des Schatzes alles hergeben, um den Acker kaufen zu können, indem er den Schatz gefunden hat. Im zweiten Fall gibt der Perlensucher alles her, was er besitzt, um die Perle kaufen zu können.

Ich sitze vor diesem Evangelium wie Indiana Jones vor einer Schatzkarte. Ich frage mich: "Was muss ich alles hergeben, um den Schatz des Himmelreiches zu erlangen? Muss ich das Leben, so wie ich es schätze und so wie ich mich daran gewöhnt habe, radikal ändern? Kann man als Christ tatsächlich nicht einfach noch so in dieser Welt und Gesellschaft leben, wie alle anderen? Muss man sich total von den anderen abheben und seinen Weg etwa als abenteuerlustiger Sonderling gehen? - Wo und wie verläuft mein persönlicher Weg hin zu dem Schatz oder zur kostbaren Perle?

Schatzkarte Evangelium

Als Priester sage ich mir: "Du bist ja schon in einer besonderen Nachfolge-Situation als Christ. Aber hast du schon genug getan? Reicht das aus?" - Wie geht es Ihnen damit? Wenn sie jetzt gerade Ihre Frau, Ihren Mann anschauen, den Menschen, der Ihr ein und alles ist, mit dem Sie ihr Leben teilen. Wie fühlt sich das an, wenn Sie an Ihren redlich erworbenen Besitz denken, das Haus, das Auto und das Bankkonto. Wie ist es, wenn Sie an ihren Beruf denken? Die Zeit im Büro, in der Werkstatt, im Laden oder wo auch immer? Fragen Sie sich: "Muss sich da in meinem Leben etwas radikal ändern, muss ich irgendetwas hergeben, um tatsächlich Jünger Jesu zu sein?"

Es ist tatsächlich ein Rätsel, was es braucht, um Christ zu sein, wenn ich die Schatzkarte des Evangeliums so verstehe. Doch auf einmal kommt mir der Gedanke, dass es nicht unbedingt die erste Aufgabe einer Schatzkarte sein kann, es dem Sucher oder Schatzjäger besonders leicht zu machen. Ob es bei einer Schatzkarte von vornherein immer klar ersichtlich ist, wo oben und unten ist? Vielleicht wende ich die Karte einmal und versuche sie andersherum zu lesen ...

Musik: Maurice Ravel - Piano Musik – Mouvement de Menuet

Wenn ich das Evangelium vom Schatz im Acker und der besonders wertvollen Perle als Schatzkarte verstehe, die mir den Weg zum Himmelreich zeigen will, verstehe ich das Ganze als Handlungsanweisung. Ich soll alles nur Mögliche einsetzen, um ans Ziel zu gelangen. Wenn ich diese Schatzkarte aber einmal wende und andersherum lese, dann wird mir etwas klar. Dann werde nicht ich als Leser der Karte zum Handeln aufgefordert, sondern ich werde darauf hingewiesen, dass das Himmelreich tätig wird. Es heißt ja wörtlich: "Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz ..." Auf einmal bin nicht ich der Schatzfinder und Perlensucher, sondern der Himmel ist in der Rolle des Suchers und Erwerbers. Kann es sein, dass in der Erzählweise und in den Augen Jesu nicht "ich" derjenige bin, der den Acker erwerben muss, in dem der Schatz verborgen ist? Oder dass nicht ich alles hergeben und verkaufen muss, um mir die besonders kostbare Perle aneignen zu können? Bin am Ende ich der Schatz im Acker dieser Welt, den der Herr aufgespürt hat und nun sein Eigen nennen möchte? Ist am Ende meine Seele die kostbare Perle, nach der der Herr so lange leidenschaftlich gesucht hat, um sie in seinen Besitz zu nehmen? Bin ich der Schatz Gottes und die kostbare Perle seiner Sehnsucht?

Das Kreuz – Markierung auf der Schatzkarte des Himmels

Hier schließt sich für mich der Kreis. Jesus, ist der Mensch gewordene Gott. Er setzt alles daran, seine ganze Liebe und Leidenschaft, ja sein Leben, um die Schöpfung und jeden einzelnen Menschen von der Macht des Bösen und des Todes zu befreien und zu erlösen. Das Kreuz auf dem Golgotha-Hügel ist der konkrete Ort, wo sich diese Liebe Gottes zu den Menschen unüberbietbar gezeigt hat.

Das ist der Grund, warum Christen bei Taufe und Firmung ein Kreuz mit geweihtem Öl auf die Stirn gezeichnet wird. Es zieht ein in die Haut und wird ein Teil des Menschen. Ich erneuere dieses Kreuzzeichen bei jedem Gebet oder auch mit Weihwasser beim Betreten einer Kirche. Das Kreuz, das mir auf die Stirn gezeichnet wurde, verstehe ich auf einmal als Markierung auf der Schatzkarte des Himmelreichs.

Und jetzt muss ich ein wenig schmunzeln und gleichzeitig wird es mir warm ums Herz, wenn ich mir Jesus mit Indiana-Jones-Hut vorstelle, als "Jäger des verlorenen Schatzes" der menschlichen Seelen.

Am Ende seiner Gleichniserzählung vom Schatz im Acker und von der kostbaren Perle fragt Jesus seine Jünger: "Habt ihr das alles verstanden?" - Es scheint ihm sehr wichtig zu sein. Oder, übertragen in die Gedankenwelt, die ich uns an diesem Sonntagmorgen eröffnet habe: Es ist ihm wichtig, dass wir "die Schatzkarte des Evangeliums" richtig herum halten. Die Jünger antworten auf seine Frage mit: "Ja." Dann sagt Jesus zu Ihnen: "Deswegen gleicht jeder Schriftgelehrte, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, einem Hausherrn, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorholt."

Happy End in Gottes Kinosaal

Wenn ich das Evangelium als Schatzkarte der leidenschaftlichen Suche Gottes nach seinen geliebten Geschöpfen verstehe, dann begreife ich den unermesslichen Wert den jedes Menschenleben, also auch mein eigenes, in den Augen Gottes darstellt. Dann begreife ich mich und die Möglichkeiten meines Lebens als unerschöpflichen Schatz, aus dem ich schöpfen kann. Dann kann ich gemeinsam mit Jesus und seinen gut geschulten Augen wie ein Archäologe die Sehnsüchte und auch Nöte menschlicher Seelen aufspüren. Ich kann mit Jesus manch Verborgenes behutsam aus dem Schutt der Geschichte freilegen und als kostbaren Schatz heben.

Das Evangelium dieses Sonntags hat mich merkwürdiger Weise an das aktuelle Kinoprogramm und "Indiana Jones" erinnert. Ebenso an meine Fan-Leidenschaft für den Film-Archäologen. Heute kann ich sagen, dass ich gerne im Team des "Archäologen Jesus" mitarbeiten möchte. Ich wünsche mir, die Menschen, zu denen ich geschickt worden bin und mein ganzes Lebensumfeld zum großen "Happy End" in Gottes Kinosaal begleiten zu dürfen. Ihnen und mir wünsche ich, dass wir uns gegenseitig neu als Gottes Kostbarkeiten kennen und schätzen lernen. Aus diesem Blickwinkel gibt es die Chance "das Rad des Schicksals" in eine gute Bahn zu lenken. So heißt übrigens der neueste Indiana-Jones-Film.

Musik: Jacques Loussier Play Bach - Fugue Nr. 5 en re majeur

Musikauswahl: Regionalkantor Thomas Pieper, Kassel

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