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Teddybär
pixabay/Andrea Toth

Teddybär

Ingo Schütz
Ein Beitrag von Ingo Schütz, Evangelischer Pfarrer, Oberursel-Bommersheim
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Die alte Frau ist 95 geworden. Ich darf sie zu ihrem Geburtstag besuchen. Wir unterhalten uns viel und angeregt. Ich finde es spannend zu hören, was sie alles erlebt hat in ihrem langen Leben. Die Kindheit mit vielen Geschwistern. Der Krieg mit Vertreibung und Flucht. Die Neuanfänge, immer wieder. Die Ehe, ihr Kind, das Alter. Es ist ihr wichtig, erzählen zu können.

Ein Teddybär zur Geburt

Als ich mich verabschieden will, zeigt sie mir noch etwas Besonderes. In ihrem Schlafzimmer sitzt auf dem Bett ein Teddybär. „Der ist auch schon 95 Jahre alt. Den habe ich zu meiner Geburt bekommen. Er hat alles gesehen, er war überall mit dabei. Jetzt fällt er schon fast auseinander. Nur die Kleidung, die er trägt, hält ihn zusammen.“

Ein Begleiter, der Halt gibt

Der kleine Teddy heißt „Butzele“, wie sie mir verrät. Ein Zeuge ihrer Biografie, so fragil wie das Leben selbst. Ein Begleiter, der Halt gibt, einfach durch sein treues Dasein. Wie wertvoll das ist, wissen schon Kinder. Sie haben oft ein Kuscheltier, das wichtiger ist als alle anderen. Dem sie alles erzählen. Das Anteil nimmt, meistens schweigend, aber in der Regel sehr hilfreich.

Ein Begleiter durchs Leben

Wenn die Kinder größer werden, spielen die Kuscheltiere eine geringere Rolle. Es gibt dann andere, die Trost geben und Anteil nehmen, und andere Zeugen unserer Biografie. Aber wenn das Alter kommt, werden die Teddys der Kindheit oft wieder wichtig. Viele haben, manchmal heimlich, ihre abgeliebten Kuscheltiere. Vielleicht, weil es irgendwann keine anderen Zeugen der eigenen Biografie mehr gibt. Der Ehepartner stirbt, die Freundinnen werden weniger, der eigene Radius schränkt sich ein. Wie gut, wenn es dann einen gibt, der dableibt. Der Halt gibt, wenn das Leben fragil wird. Einen, der all das gesehen hat, was man selbst durchmachen musste.

Eine liebe Erinnerung

Die Seniorin, die ich besuche, sagt mir noch: „Den Teddy wollte ich mit ins Grab nehmen, wenn ich sterbe. Aber mein Sohn hat gesagt: Das ist schade. Er wäre mir das Wichtigste, was ich wirklich aufheben will, wenn du gehst.“ Vielleicht, weil er als Zeuge eines Lebens gebraucht wird, auch wenn es zu Ende ist. „Na gut“, hat sie ihrem Sohn gesagt, „dann kannst du ihn haben.“

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