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Sei ein bisschen wie ein Waschbär
Bild: pixabay

Sei ein bisschen wie ein Waschbär

André Lemmer
Ein Beitrag von André Lemmer, Katholischer Pfarrer in der Pfarrei Sankt Elisabeth in Kassel
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Manchmal schaut sie auch beim Gottesdienst durch die Kirchenfenster interessiert zu: eine Waschbärin, die seit ein paar Wochen im Kirchhof der Elisabethkirche in Kassel lebt. Auch wenn das Tier nett anzuschauen und eigentlich sehr sympathisch ist, so können durch sie erhebliche Schäden an den Gebäuden entstehen.

Die Waschbärdame musste also umziehen. Bei uns hier in Kassel gibt es einen sogenannten Waschbärbeauftragten, der die Tiere in einer Falle fängt und sie umsiedelt. Die Falle war erst wenige Stunden aufgestellt, da war die Waschbärdame schon hineingetappt. Die Freude über den schnellen Erfolg währte aber nicht lange. Der Waschbärbeauftragte konnte erkennen, dass die Waschbärdame erst vor kurzem Mutter geworden ist. Somit musste die junge Mutter wieder auf freien Fuß gesetzt werden, damit sie sich um die Kleinen kümmern kann. Erst wenn die kleinen Waschbären hinter ihr herlaufen, können wir versuchen, sie noch mal zu fangen. Aber das ist bei Waschbären nicht sehr einfach. Die Tiere sind so schlau, dass sie selten zweimal in die gleiche Falle tappen.

Die gleichen Fallen – immer wieder

Wenn ich doch auch etwas mehr wie ein Waschbär wäre. Denn im Gegensatz zum Waschbären gibt es Fehler, die ich immer wieder mal mache. Als ob mir es nicht reicht, aus Fehlern gelernt zu haben. Die Versuchung oder besser gesagt: der Köder ist einfach zu verlockend. Es sind auch nicht immer die großen Fallen, in die ich hineintappe, eher die Kleinen. Da opfere ich eine Stunde Schlaf, um den einen Film doch noch zu schauen, dann arbeite ich gerne länger als geplant, vielleicht diese eine Notlüge, … so viele kleine Dinge, die mir dann im letzten Ende nicht guttun und ich dann unter den Konsequenzen leide.
Ein bisschen mehr wie ein Waschbär sein, wäre doch schon ein guter Anfang. Aber wie geht das?

Die Fähigkeit, Fallen zu erkennen

In meiner Abendroutine hat das Gebet der Komplet, das Nachtgebet der Priester einen festen Platz. Am Anfang dieses Gebetes steht die Gewissenserforschung. Ich darf alles, was an diesem Tag war, vor Gott bringen. Ich darf zu all dem stehen, was mir gelungen ist, aber auch was mal wieder schief gegangen ist. Ich bringe es vor Gott, bedenke es selbst und erbitte mir Kraft und Mut, die Fallen am nächsten Tag zu umgehen.

Da wo ich alles vor Gott bringe, hilft er mir zu analysieren. Ich habe in ihm einen Beistand, der mich begleitet. Das gibt mir die Zuversicht, die Dinge auch mal anders anzupacken. Das gibt mir die Fähigkeit, so manche Fallen zu sehen und zu umgehen.

Gerade hier in Kassel sind die vielen Waschbären vielleicht ein guter Hinweis, dass ich versuche, mal mehr wie ein Waschbär zu sein.

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