Der Liebesbrief meiner Kinder
Es ist schon viele Jahre her, und dennoch erinnere ich mich noch genau, wie ich den Brief aus dem Briefkasten gefischt habe.Meine Adresse war mit krakeliger Kinderschrift geschrieben. Als ich auf der Rückseite nach dem Absender suche, steht dort: Agatha Apfelmus und Pinki Schokopudding.
Ein Brief voller Fehler und Tintenkleckse
Meine beiden Töchter standen dabei und kicherten. Klar, dass sie hinter diesen kunstvollen Pseudonymen steckten. Ich öffnete den Brief und begann zu lesen. Er war voller Korrekturen, Rechtschreibfehler und Tintenkleckse. Sie hatten sich angestrengt, aber sie waren noch nicht so richtig geübt im Schreiben. Das war aber nicht wichtig. Denn der Inhalt lautete: „Papa, wir haben dich lieb. Es ist schön, dass du nach der Dienstreise wieder bei uns zuhause bist.“ Meine Töchter sind mittlerweile erwachsen. Aber den Brief habe ich immer noch. Ich habe ihn aufgehoben – als Erinnerung.
Man verpasst viel zu oft die Chance, jemandem seine Wertschätzung auszudrücken
Viel zu oft verpasse ich eine Chance, jemand anderem meine Liebe oder Wertschätzung auszudrücken, weil ich denke, dass ich es nicht perfekt hinbekomme oder weil ich fürchte, es sei jetzt unpassend, nicht der richtige Moment oder, oder…. Dem Nachbarn ein Stückchen Selbstgebackenes bringen. Den trauernden Kollegen besuchen, auch wenn ich nicht so recht weiß, was ich sagen soll. Der neu zugezogenen Familie einen Blumenstrauß vor die Tür stellen. Das fühlt sich manchmal seltsam an, weil man nicht sicher ist, wie der andere es auffasst.
Es muss nicht immer perfekt sein
Trotzdem: Wo wir Aufmerksamkeit und Liebe investieren, ist die Verpackung nicht so wichtig. Der Brief meiner Töchter erinnert mich bis heute daran, wie wichtig und sinnvoll es ist, Liebe auszudrücken, selbst wenn es unbeholfen ist, mit krakeliger Schrift, mit Fehlern und Klecksen.