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Vorbereitung im Advent
Bild: Pixabay / Artistlike

Vorbereitung im Advent

Kathrin Mantey
Ein Beitrag von Kathrin Mantey, Evangelische Pfarrerin, Marburg
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Heute ist für mich ein doppelt schöner Tag: Erstens ist es der dritte Advent und nur noch eine Woche bis Heiligabend. Und zweitens habe ich Geburtstag. Manche Leute bemitleiden mich deshalb: „Ach, du Arme, in der stressigen Zeit musst du auch noch Geburtstag feiern?!“ Den Einwand habe ich schon als Kind nicht verstanden. Das ist doch die schönste Zeit im Jahr! Und auch wenn ich als Erwachsene die Hektik rund um die Weihnachtstage kenne: Meinen Geburtstag lasse ich mir davon nicht verderben. 

Stress vor dem Geburtstag in der Adventszeit

Allerdings war das nicht immer so. Es gab Jahre, da habe ich mich vom Stress um mich herum anstecken lasse. Ich habe bis kurz vor knapp geplant und fühlte mich deshalb in der Adventszeit häufig unter Druck. Das hat meine Vorfreude auf den Geburtstag getrübt. Ich hatte gar keine Lust, ihn zu feiern. In meinem Kopf schwirrten noch so viele Dinge herum, die ich vor Weihnachten erledigen wollte. 

Die richtige Vorbereitung ist alles

Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich gelernt habe, damit gut umzugehen. Heute weiß ich: Geburtstagfeiern in der Weihnachtszeit ist gar kein Problem – wenn ich mich nur richtig vorbereite. Wenn der Kopf frei ist von langen ToDo-Listen, wenn die Weihnachtsgeschenke gut versteckt im Schrank liegen und die Plätzchen fix und fertig in der Dose. Dann wird auch mein Herz frei und die Vorfreude kommt von ganz allein. Plötzlich sehe ich nicht mehr die zusätzliche Arbeit, die so eine Feier macht. Stattdessen freue ich mich auf den ganzen Tag: auf die Familie, den Geburtstagskuchen, ein Glas Prosecco und die lustige Runde mit meinen Freundinnen, die so kurz vor der Geburt des Christkindes auch meine Geburt feiern.

Weihnachten ist auch ein Geburtstagsfest

Weihnachten ist ja auch ein Geburtstagsfest. Wir feiern die Geburt von Jesus von Nazareth in einem Stall in Bethlehem vor mehr als 2000 Jahren. Und die Adventszeit ist die Vorbereitungszeit dafür. Aber auch bei diesem Fest hält sich bei manchen Menschen die Vorfreude in Grenzen. 

Ergebnisse einer Umfrage zu Weihnachten

Bei einer Umfrage im November haben weniger als die Hälfte der Befragten gesagt, dass sie sich auf Weihnachten freuen. Und bei meiner Altersgruppe, der Mitte 40 bis Mitte 50-Jährigen, waren es nur 36 Prozent. Vermutlich liegt das auch an dem vollen Kalender, den viele in diesem Alter haben. Ich kenne das Gefühl, dass zwischen Familie und Beruf viel zu wenig Zeit bleibt, um Luft zu holen. Weihnachten ist aus dieser Sicht dann eben nur ein weiterer Posten auf der langen Liste der Aufgaben. 

Wie kann da trotzdem so etwas wie Vorfreude entstehen, frage ich mich und wie wird aus der Adventszeit eine gute Vorbereitungszeit auf Weihnachten? 

Was die Vorbereitung aufs Weihnachtsfest von der Geburtstagsplanung unterscheidet

Bei meinem Geburtstag hilft es mir, gut vorbereitet zu sein. Aber bei Weihnachten ist das etwas anders. Das zeigt schon ein Blick auf das allererste Weihnachtsfest: 

Maria und Josef sind überhaupt nicht gut vorbereitet. Sie sind unterwegs zu einer Volkszählung. Alle Quartiere im Ort sind schon belegt und sie müssen mit dem leben, was sie kriegen können. Hätten sie es planen können, dann wäre Maria als hochschwangere Frau bestimmt nicht in einen Stall gegangen, um das Kind zur Welt zu bringen.

Auch die Hirten sind nicht auf Weihnachten vorbereitet

Auch die Hirten sind überrascht und erschrecken fast, als sie in dieses erste Weihnachtsfest hineingeraten. Sie sind die Ersten, denen der Engel die Botschaft vom Kind in der Krippe überbringt: „Fürchtet euch nicht!“ sagt er. „Siehe, ich verkündige euch große Freude.“ Die Hirten sind auf diesen besonderen Moment nicht vorbereitet. Aber sie gehen los. Sie wollen das Kind, von dem der Engel erzählt, mit eigenen Augen sehen. Es ist mitten in der Nacht.

Sie brechen einfach auf

Aber sie brechen direkt auf: ohne sich umzuziehen, ohne Geschenke zu besorgen, ja, ohne die Familie überhaupt zu kennen, zu der sie gehen! 

Obwohl das alles für die Hirten so plötzlich geschieht und sie so wenig von dem Kind in der Krippe wissen, sind sie vom ihm tief berührt. 
Und um dieses Gefühl der Hirten geht es heute noch an Weihnachten: Freude zu spüren und innerlich berührt zu werden. 

Warum es schwer geworden ist, sich einfach von Herzen zu freuen

Aber das ist offenbar gar nicht so einfach, wie es klingt. Anscheinend ist es heute schwer geworden, sich von ganzem Herzen zu freuen. Das stellt der Soziologe Hartmut Rosa in seinem Buch „Unverfügbarkeit“ fest. Und er erklärt, warum das so ist: In unserer Gesellschaft kommt es darauf an, das Leben zu beherrschen. Nichts soll in dem Zufall überlassen sein. Wir sind inzwischen daran gewöhnt, dass Wünsche Wirklichkeit werden, wenn wir etwas dafür tun oder genug dafür bezahlen. Aber gerade das, um was wir uns so bemühen, weckt gar nicht die Freude, die wir uns erhoffen. 

Nach Hartmut Rosa brauchen wir das Gefühl von Resonanz

Hartmut Rosa nennt dieses Gefühl, das wir suchen und viel zu selten erreichen, „Resonanz“. Er beschreibt es als ein tiefgehendes Empfinden. Es stellt sich ein, wenn wir uns auf Unerwartetes einlassen – also auf Dinge, die wir nicht kontrollieren können. Es sind oft die Momente, in denen uns ein kleiner Schauer über den Rücken läuft. Resonanz ist intensiv spürbar, weil sie plötzlich Interesse in uns weckt und uns aufmerksam werden lässt. 

Resonanz lässt sich nicht erzwingen

Jetzt im Vorweihnachtsgeschäft verspricht uns die Werbung genau diese Resonanz, wenn sie ihre Produkte anpreist: zum Beispiel einzigartigen Genuss oder unvergleichliche Momente. Dieses Versprechen ist aber falsch, sagt Rosa: Resonanz wird nämlich von genau den Dingen ausgelöst, die wir eben nicht kaufen und planen können. Sie lässt sich nicht erzwingen, sondern passiert oft da, wo wir nicht mit ihr rechnen: Worte, die mich berühren in einem Gespräch, der Klang eines Musikstücks, ein bestimmter Duft oder der Wintermorgen, an dem ich aus dem Fenster schaue und plötzlich frisch gefallenen Schnee sehe. 

So spontan Resonanz geschieht – ein Bisschen Vorbereitung ist auch dafür möglich. 

Rituale im Advent schaffen Raum für Resonanz

Resonanz lässt sich nicht planen. Aber viele Rituale im Advent schaffen einen Raum dafür. Durch sie entstehen Situationen, in denen Freude und Staunen möglich werden. 

Vielleicht sind viele Bräuche deshalb aus dem Advent gar nicht wegzudenken. Zum Beispiel das Anzünden der vier Kerzen am Adventskranz, die Türchen vom Adventskalender oder Musik, die wir nur im Advent und an Weihnachten hören.  

Lebkuchenbacken - ein Familienritual in der Adventszeit 

In unserer Familie darf das gemeinsame Lebkuchenbacken nicht fehlen: Wir tun das seit vielen Jahren. Die Kinder waren noch sehr klein, also fiel die Wahl auf Lebkuchen: weil der Teig nicht so klebt und weil man ihn sehr oft neu ausrollen kann. Das war am Anfang auch nötig: Die Kleinen standen auf Stühlen, damit sie an die Arbeitsfläche kommen konnten. Dann drückten sie Ausstecher in den Teig. Eine von uns war fast nur damit beschäftigt, dafür zu sorgen, dass Rosinen, Mandeln und Schokotropfen nicht nur im Magen der Kinder landen, sondern auch auf den Plätzchen. Inzwischen sind unsere Kinder groß und könnten die Lebkuchen längst allein backen.

Ohne Lebkuchenbacken fehlt gemeinsame Zeit

Aber dann würde etwas Wichtiges fehlen: Diese gemeinsame Zeit vor Weihnachten. Die Zeit, in der wir miteinander konzentriert und völlig ungestört etwas tun. In der kein Handy geht und wir reden und lachen können oder auch Probleme besprechen. In der wir merken, wie sich die Kinder wieder verändert haben und manches zum Glück bleibt, wie es ist. Wenn unsere Lebkuchen fertig sind, wissen wir, wie es allen geht. Es ist unser gemeinsamer Schritt in den Advent.

Was es für eine gute Vorbereitung aufs Weihnachtsfest braucht 

In einer Woche wird es Weihnachten. Und ich wünsche mir, dass ich irgendwann an den Feiertagen spüre: Mit diesem Kind kommt Gott auch in meine Welt.

Damit dies geschieht, brauche ich keine perfekte Planung. Ich sehe es ja an den Hirten: Ihre Freude war groß, weil sie neugierig und offen – und völlig unvorbereitet zum Stall liefen. Mehr Vorbereitung brauchen auch wir nicht: Offenheit und Neugierde – und dafür reicht die Zeit locker, auch noch heute, am dritten Advent. 
 

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