Gott im Himmel - eine vorsichtige Annäherung
Vor 55 Jahren hatten die Rolling Stones noch Sympathie für den Teufel. Der Song „Sympathy for the Devil“ gehört zu ihren Evergreens. Aber inzwischen sind die Stones-Musiker keine jungen Wilden mehr, sondern um die 80 Jahre alt. Da verschieben sich die Perspektiven auf Hölle und Himmel. Noch etwas ist passiert: Vor zwei Jahren starb der langjährige Drummer der Band: Charlie Watts. Das stellt einem die Endlichkeit konkret vor Augen – auch die eigene. Und es wirft eine tiefgründige Frage auf: Wohin wird mein Leben führen, wenn es auf den Horizont zugeht?
Der neue Song der Stones: "Freischwebende Seelenreise mit Gospel-Gefühl"
Da wundert es nicht, dass sich die Stones in ihrer neuen Single weniger für den Teufel, sondern mehr für den Himmel interessieren. Musikmagazine feiern den Song wörtlich als „freischwebende Seelenreise mit Gospel-Gefühl“[1]. Auch mir gefällt der Song sehr gut. Zum einen, weil er kraftvoll klingt. Zum anderen, weil ich darin etwas wiedererkenne, was mir gerade jetzt in der Adventszeit wichtig ist: die Sehnsucht nach Gottes Nähe.
„Sweet Sounds of Heaven“ - eine Erkundungsreise zwischen Himmel und Hölle
Der Rock-Veteran Mick Jagger unternimmt seine musikalische Erkundungsreise zwischen Himmel und Erde nicht alleine, sondern im Duett mit der fast 40 Jahre jüngeren Lady Gaga. Ihre Stimme klingt – passend zum Thema - mal nach Rockröhre und mal nach Engelsgesang. Der Song trägt den Titel „Süße Himmelsklänge“, „Sweet Sounds of Heaven“.
Musik: „I feel the sweet, sweet sounds of Heaven.“
Mick Jagger tastet sich an den Himmel heran - assoziativ wie ein Poet
Wenn ein altgedienter Musiker wie Mick Jagger über den Himmel nachdenkt, dann spielen Musik und Klänge natürlich eine große Rolle. Er hört Klänge aus dem Himmel und er sendet seine eigenen Klänge selbst hinauf. So tastet sich Jagger an den Himmel heran. Nicht logisch wie ein Physiker, sondern assoziativ wie ein Poet. Auch scheu wie einer, der dem Göttlichen gleichzeitig näherkommen und fernbleiben will.
Jagger singt auch von Brot und Wein
Bei seinen Annäherungsversuchen an den Himmel bringt Mick Jagger ein, was unsere Kultur in Westeuropa prägt. Dazu gehört griechische Mythologie und natürlich manches Christliche. Biblische Bilder sind dabei. Sie erzählen davon, wie Gott auf die Menschen zugeht. So singt Jagger von Brot und Wein. Damit spricht er das Abendmahl an, bei dem Gläubige mit Jesus Christus in Verbindung treten.
Wer hat wen geschaffen? Gott die Menschen - oder die Menschen Gott?
Aber Mick Jagger ist unentschlossen: Soll er wirklich auf Gott hoffen? Oder setzt er doch lieber ganz auf sich selbst? Dieses Hin und Her prägt auch seinen Gesang über ein weiteres religiöses Thema: den Segen. Eigentlich geht der Segen von Gott aus. Segen ist Gottes Zuspruch für die Menschen. Doch Mick Jagger dreht das um. Er singt vom Segen für Gott, für den Vater und den Sohn. Damit wirft Jagger die Frage auf, die es öfters gibt bei Debatten zwischen Gläubigen und Atheisten: Wer hat wen geschaffen? Hat Gott die Menschen geschaffen - oder haben sich die Menschen Gott erschaffen? Wer braucht also wen? Und wer segnet wen?
Musik:„Bless the Father, bless the Son. Hear the sound of the drums as its echoes through the valley bursts, yeah. Let no woman or child go hungry tonight. Please protect us from the pain and the hurt, yeah.“
Menschen brauchen Orientierung und Hoffnung
Am Ende dieser Strophe geht Mick Jagger für einen Moment in die Haltung eines Fürbittengebets. Er bittet darum, dass heute niemand hungern muss. Und er singt: „Schütze uns vor Schmerz und Verletzung.“ Ein Gebet versucht sich anzunähern an das Himmlische. Wird Gott also doch gebraucht? Jedenfalls schwingt dabei die Einsicht mit: „Ich kann mein Leben nicht alleine machen. Ich brauche Zuspruch und Hilfe. Menschen bekommen die Welt alleine nicht in den Griff. Sie brauchen Orientierung und Hoffnung. Himmel, hilf!“
Distanz zu Gott
Nachdem er sich kurz mit Beten versucht hat, geht Mick Jagger aber schnell wieder auf Distanz zu Gott und betont, was er selbst tun wird. Er und Lady Gaga singen: „Nein, ich werde nicht in die Hölle gehen. Und ich werde nicht untergehen im Dreck. Ich werde lachen. Ich werde weinen, das Brot essen, den Wein trinken, weil ich endlich meinen Durst lösche.“ Da spielt der Song noch einmal auf das Abendmahl an: Brot und Wein – doch damit stillt nicht Gott den seelischen Durst der Gläubigen. Das wollen die beiden vielmehr selbst tun. Da kommt sehr viel ICH zusammen.
Musik: „No, I'm not, not goin' to Hell. In some dusty motel. And I'm not, not goin' down in the dirt (Yes, yes, yes) I'm gonna laugh, I'm gonna laugh, I'm gonna cry, I'm gonna cry. Eat the bread, drink the wine 'cause I'm finally, finally quenchin' my thirst, yeah.“
Was habe ich von Gott zu erwarten?
Dem Himmel annähern und wieder zurückweichen. Am Ende steht die Frage: Was habe ich von Gott zu erwarten? Interessiert sich Gott überhaupt für mich und die Welt? Darauf gibt Mick Jagger eine Antwort aus der griechischen Mythologie. Darin ist der Olymp das göttliche Hauptquartier – Tummelplatz von allerlei Göttinnen und Göttern. Sie spielen ihre Spielchen mit den Menschen und lachen über deren Elend. Doch manche von ihnen stürzen auf die Erde, gescheitert und gefallen. Darin höre ich die deprimierende Botschaft: „Eher stürzen die Götter auf die Erde, als dass die Menschen zum Himmel kommen.“
Gott kommt freiwillig auf die Erde - aus Liebe
Darüber spricht die Bibel zum Glück anders. Sie bezeugt nur einen Gott. Und der interessiert sich sehr für seine Schöpfung, namentlich auch die Menschen, für jede und jeden einzelnen. Der biblische Gott stürzt nicht gescheitert vom Himmel. Im Gegenteil: Gott kommt freiwillig auf die Erde - aus Liebe.
Advent - die Zeit der Vorfreude auf Weihnachten
Daran erinnert der Advent, die Zeit der Vorfreude auf Weihnachten. Denn das Weihnachtsfest feiert die Ankunft Gottes in der Welt. Gott wird in einem kleinen Kind geboren, genannt Jesus Christus. Er ist als Gottes Sohn ganz Himmel und als Menschensohn ganz Erde. In Jesus finden Himmel und Erde zueinander. Erde und Himmel zusammen - das hat Gott also bereits begonnen. Und er wird es dereinst auch zu Ende bringen.
Der Advent hat eine doppelte Botschaft
Aus christlicher Sicht hat der Advent eine doppelte Botschaft: Zum einen ganz irdisch: die Vorfreude auf das Jesuskind, das die Liebe Gottes lebt. Zum anderen bringt der Advent eine ganz himmlische Botschaft mit: Jesus wird irgendwann wiederkommen, zum Ende aller Zeiten, zum großen Finale. Dann kommen Himmel und Erde ganz zusammen.
Großes Finale – darauf läuft auch der Song der Rolling Stones zu. Leise hatte er angefangen und war immer wuchtiger geworden. Zuletzt untermalt der Song voller Pathos den Sturz der gefallenen Götter. Doch dann geschieht etwas Unerwartetes.
Musik: Hear the gods laughin' from above of Heaven. Fallin' down, fallin' down to this earth, oh, oh, oh, oh. Let me lay down and sleep. Yeah, yeah, Heaven, Heaven. Ooh, ooh, ooh
Kommt Mick Jagger in den Himmel?
In die letzten Klänge hinein singt Mick Jagger: „Lass mich hinlegen und schlafen, Himmel“. Ist das eine Vorahnung auf den Tod? Das scheint auch einen Influencer im Internet zu beschäftigen. Er spekuliert darüber, ob Jagger eine Chance habe, in den Himmel zu kommen. Er meint nein, denn Jagger erfülle mit seinem Lebenswandel nicht die Kriterien der katholischen Kirche. Dagegen wende ich ein: Die Zulassungskontrolle zum Himmel steht weder der katholischen noch der evangelischen oder einer anderen Kirche zu. Das liegt alleine in der Hand von Jesus Christus. Und der mag Menschen, die sich auf die Suche nach Gott begeben. Gläubige sind immer Suchende und Hoffende. Das genügt auch.
Bei mir verstärkt der Song in der Adventszeit die Hoffnung, mehr Himmel auf die Erde zu bekommen. Möglichst nicht erst am Ende aller Zeiten, sondern gerne auch schon jetzt.
[1] Musikmagazin Rolling Stone, zitiert nach Wikipedia-Artikel über den Song