Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Baum des Lebens

Baum des Lebens

Dr. Annette Wiesheu
Ein Beitrag von Dr. Annette Wiesheu, Theologische Referentin des Bischofs von Mainz
Beitrag anhören:

Waffenlieferungen an die Ukraine – ja oder nein? In den vergangenen Wochen und Monaten war dies ein großes Thema in der öffentlichen Diskussion. Dabei wurde deutlich: Es gibt keine einfache Antworten auf die Frage, was hier gut und gerecht ist und dem Frieden dient. Auch für Christinnen und Christen ist dies eine große Herausforderung. Sie kennen die Worte Jesu in der Bergpredigt der Bibel: „Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin!“ (Matthäusevangelium 5, 39) 

Notfalls mit Waffengewalt

Wie ernst hat Jesus das gemeint? Ist diese radikale Gewaltlosigkeit nicht eine Illusion? Gibt es nicht ein Recht auf Selbstverteidigung? Und die Pflicht, andere zu schützen, notfalls auch mit Waffengewalt?  

Vor kurzem habe ich einen Baum aus Waffen gesehen. Ein Kunstwerk, dreieinhalb Meter hoch, gänzlich hergestellt aus Gewehrteilen, Revolvern, Patronenhülsen. Der Stamm, die Äste, die Blätter die Tiere an seinem Fuß – alle sind aus ehemaligen Waffen geformt. Dieses Kunstwerk befindet sich in der Afrika-Abteilung im British Museum in London. Und es trägt den überraschenden Titel: „Tree of Life“ – Baum des Lebens. 

Ein neues Leben ermöglichen

Hinter dieser eindrucksvollen Skulptur steht folgende Geschichte: In dem afrikanischen Staat Mosambik folgte auf die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Portugal im Jahr 1975 ein jahrzehntelanger blutiger Bürgerkrieg – wie in so vielen afrikanischen Staaten. Der Bürgerkrieg in Mosambik war einer der brutalsten, angeheizt vom ideologischen Gezerre zwischen Ost und West. Waffen wurden in rauen Mengen in das Land geschafft und befeuerten den mörderischen Konflikt. Erst im Jahr 1992 setzte ein Friedensabkommen den Kämpfen ein Ende. Aber die Waffen blieben im Land, und mit ihnen die Bereitschaft zu Gewalt und Menschen, für die Waffen zur Selbstverständlichkeit geworden waren. Um eine friedliche Gesellschaft zu werden, musste das Land entwaffnet und den ehemaligen Kämpfern ein neues Leben ermöglicht werden. 

Sie werden zu einem Zeichen der Hoffnung

Hier setzte ein Friedensprojekt an, das der anglikanische Bischof Dinis Sengulane angestoßen hat. Der Name des Projekts: Waffen zu Werkzeugen. Das Prinzip ist einfach: Wer seine Waffe abgibt, erhält im Gegenzug einen praktischen Gegenstand für den friedlichen Gebrauch – eine Feldhacke, eine Nähmaschine, ein Fahrrad, Baumaterialien. Einen Gegenstand oder ein Werkzeug als Grundlage für ein neues, friedliches Leben. Zahllose Kämpfer folgten diesem Aufruf, hunderttausende Waffen wurden abgegeben. Das Projekt konnte so viel dazu beitragen, die Gesellschaft in Mosambik friedlicher zu machen und aus der Abhängigkeit von Waffen herauszuführen. Und die Waffen, die abgegeben wurden, verarbeiteten Künstler teilweise zu Kunstwerken – wie den „Baum des Lebens“, der sich heute im British Museum befindet. Die Waffen verlieren so ihren Schrecken und werden zu einem Zeichen der Hoffnung.

Es gibt einen Ausweg aus Krieg und Gewalt

Jeder kriegerische Konflikt hat seinen eigenen Hintergrund, seine Dynamik und braucht eigene Lösungen. Doch die Geschichte aus Mosambik kann Mut und Hoffnung machen – auch in den gegenwärtigen Konflikten: Es gibt einen Ausweg aus Krieg und Gewalt. Es ist keine Utopie, wenn Propheten im Alten Testament schreiben: „Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden / und ihre Lanzen zu Winzermessern.“ (Jes. 2,4 ; oder Micha 4,3) Waffen als Waffen müssen nicht das letzte Wort haben. Und: Es sich lohnt darüber nachzudenken, ob es nicht andere Wege zum Frieden gibt, als mit Waffen zu kämpfen.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren