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Den Himmel anzetteln
Pixabay / Ana J

Den Himmel anzetteln

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt
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Den Himmel anzetteln auf Erden, das hat Jesus gemacht. Sagt Kurt Marti, der Schweizer Pfarrer und Dichter. Kurt Marti ist schon einige Jahre gestorben. Aber seine Formulierungen bleiben und beeindrucken mich.

Kurt Martis Vaterunser

Eines seiner Gebete zum Beispiel, das umgedichtete Vaterunser. Da spricht Kurt Marti davon, dass Jesus den Himmel angezettelt hat. Etwas Anzetteln, das heißt doch: Jesus hat provoziert und war unbequem. Und gleichzeitig war Jesus sehr verständnisvoll und hat leicht Zugang zu den Menschen gefunden und ihnen etwas Wunderschönes gezeigt: den Himmel.

Es ist wichtig, immer wieder neu über Gott nachzudenken

Ich glaube: Es ist wichtig, immer wieder neu über Gott nachzudenken, zu überdenken, was ich eigentlich wirklich glaube und was nicht. Ganz ehrlich. Dabei hilft es, auf die Worte zu achten. Keine Floskeln für Gott zu benutzen. Es kann ruhig ein bisschen pieksen und stören und ungemütlich sein, und neu und ungewohnt. Darin war Kurt Marti ein Meister.

In seinem Gedicht „Großer Gott ganz klein“ beschreibt Marti, wie klein und nah Gott ist: Gott ist näher als die Haut und die Halsschlagader, kleiner als der Herzmuskel. Gott ist eigentlich zu nah und zu klein. Wozu soll ich so einen Gott suchen?

Gott versteckt sich in Menschen

Die Antwort: Wir sind Gottes Verstecke. Kurt Marti dreht die Perspektive einfach um. Es geht nicht mehr um die Frage, wie Gott mir helfen kann, sondern wie ich Gott helfen kann. Marti ist der Meinung: Der große Gott hat sich zurückgezogen. Er hat sich Verstecke gesucht. Die Verstecke sind nicht im Himmel, im Jenseits der Welt. Viel besser: Gott versteckt sich in Menschen. Was für eine Ehre: Ich bin ein Schutzraum für etwas sehr Kostbares. Gott ist auch in mir selbst zu finden. Und in den Menschen, die mir begegnen. Manchmal jedenfalls.

Gottes Versteck sein und den Himmel anzetteln

Für mich gehört beides zusammen: Gottes Versteck sein und den Himmel anzetteln. Das eine geschieht mit mir – Gott versteckt sich in mir und in anderen. Beim anderen bin ich aktiver – ich bringe den Himmel ein bisschen näher. Beides will ich heute in den Blick nehmen. Wo entdecke ich Gottes Versteck heute? Und wo will ich heute ein bisschen den Himmel anzetteln?

Gleich, wenn mein Sohn aufwacht, werde ich ihm vorlesen und er wird dabei auf meinem Schoß sitzen und sich an mich kuscheln. Ein inniger Moment. Dann ist er ein Versteck Gottes für mich. Und ich vielleicht auch für ihn.

Später werde ich rüber zu der Nachbarsfamilie aus Somalia gehen. Gerade ist die dritte Tochter geboren. Ich werde ihnen Spielsachen und einen Kuchen rüberbringen. Als Geschenk zur Geburt. Vielleicht fällt das ja unter die Kategorie „Himmel anzetteln“.

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