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Vom Pfeifen und Singen gegen die Angst

Vom Pfeifen und Singen gegen die Angst

Andreas Wörsdörfer
Ein Beitrag von Andreas Wörsdörfer, Pastoralreferent, Katholische Pfarrei Dom St. Bartholomäus, Frankfurt am Main

Immer wenn ich als Kind in den Keller musste, habe ich laut gepfiffen oder gesungen. Ziemlich mulmig war mir da. Denn wer weiß schon, wer oder was da unten auf mich lauert. Das laute Pfeifen und Singen hat mir die Angst ein wenig vertrieben. Ich habe mich nicht mehr so alleine gefühlt.

Böllern ist wie Pfeifen: gegen das mulmige Gefühl

Das Feiern und Böllern in der Silvesternacht kommt mir manchmal vor wie mein Pfeifen und Singen im Keller. Auch an diesem Silvestertag ist mir ein bisschen mulmig zumute. Was wird das neue Jahr bringen? Wenn ich zurückschaue, dann stimmt mich vieles nicht gerade zuversichtlich. Da war die Corona-Pandemie, die uns das Leben lange so schwer gemacht hat. Und als man dachte, es könnte nicht schlimmer kommen, begann der Überfall Russlands auf die Ukraine. Andere Themen bedrücken: Klimakatastrophe, Energiekosten, steigende Preise. Was soll denn noch alles kommen?

Bonoeffers Gedicht: von guten Mächten umgeben

Bei diesen Fragen kommt mir ein Lied in den Sinn, das auch heute in vielen  Gottesdiensten zum Jahreswechsel gesungen wird: „Von guten Mächten treu und still umgeben, erwarten wir getrost, was kommen mag.“ Der evangelische Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer hat dieses Lied gedichtet. Und das nicht etwa gemütlich zuhause am Schreibtisch, sondern im Kerker: in der Gestapo-Haft im Dezember 1944. Dieses Lied will Zuversicht verbreiten. Es endet so: „Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ Mir geht das immer wieder zu Herzen und macht mir Mut. Ja, das glaube ich trotz allem: In allen Ungewissheiten und Krisen ist Gott da.

Pfeifen gegen die Angst

Das Pfeifen und Singen hat mir als Kind die Angst im Keller vertrieben. Und natürlich feiere ich die Silvesternacht heute auch mit Freunden, denn es gibt ja auch Schönes zu feiern am Ende dieses Jahres: Die Pandemie ist fast vorbei, Gemeinschaft ist wieder möglich.

Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag. In dieser Zuversicht will ich es erwarten – das neue Jahr 2023 – und weiter singen.

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