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Feindesliebe
Bild: Jäger

Feindesliebe

Jens Haupt
Ein Beitrag von Jens Haupt, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Ich habe es schwer mit der Feindesliebe. Dabei bin ich ein verträglicher Mensch. Ich habe am liebsten Frieden. Bin deshalb manchmal auch nachgiebig, um des lieben Friedens willen. Ich dürfte also eigentlich gar keine Feinde haben.Und trotzdem.

Manche haben sich mir zum Feind gemacht

Manche haben sich mir zum Feind gemacht. Ohne dass ich das wollte. Mir wurde die Feindschaft förmlich aufgedrängt. Hier eine erlittene Kränkung, dort eine ungerechte Entscheidung. Das geht schnell. Gedemütigt, belogen und betrogen, das hält meine Friedfertigkeit einfach nicht mehr aus. Gedanken von Rache und Vergeltung schleichen sich ein. In mir steigt der Groll und wird zum Hass. Ja, und so komme auch ich zu einem Feind.

Ist es nicht zu viel verlangt, den zu lieben? Ja, es ist viel verlangt. Ein Feind ist ein Feind. Und Feindesliebe ist etwas anderes als Vergebung. Ich muss auch nicht gnädig über alles hinwegsehen, was so einer anrichtet. Ich muss mich nicht einfach schlecht behandeln lassen, ich darf mich wehren.

Gewalt, Rache und Vernichtung sind keine Lösung

Aber Rache und Vergeltung ändern nichts, schon gar nicht meinen Feind. Es ist ein Irrglaube, dass Gewalt und Vernichtung eine Lösung sind. Gewalt wird nie satt. Und trotzdem habe ich es schwer mit der Feindesliebe.

Ich weiß, dass Sonne und Regen über Gerechte und Ungerechte scheinen. Ich weiß, dass in allen Menschen ein Herz schlägt. Ich weiß, dass wir Schwestern und Brüder sind. Ich weiß, dass jeder Mensch eine Würde hat und Respekt verdient. Und trotzdem, ein Feind ist ein Feind.

Auch ein Feind bleibt ein Ebenbild Gottes

Und er bleibt ein Mensch. Auch wenn er mich bedroht, mir Unrecht tut.

Er bleibt - ein Ebenbild Gottes. Das fällt mir so schwer anzunehmen. Wäre er nur ein wenig anders, ich könnte versuchen ihn zu verstehen, zu respektieren. Aber so?

Ich habe es schwer mit der Feindesliebe. Und möchte es doch können: Respektgegenüber einem Menschen, von dem ich nichts Gutes zu erwarten habe. Achtung vor meinem Feind, weil auch er ein Gewissen hat. Ich schaue in den Spiegel und frage mich, wie Gott mich und wie er meinen Feind ansieht?

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