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Glauben in Turbulenzen
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Glauben in Turbulenzen

Stephan Krebs
Ein Beitrag von Stephan Krebs, Evangelischer Pfarrer, Langen
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Zum Song „Oh, my God“ von Adele

Sprecherin: Nicole Abraham

 

Es gibt Menschen, die ruhen in sich und davon kann sie wenig abbringen. Was andere Probleme nennen, sind für sie Herausforderungen. Sie leben ihr Leben, als gäbe es kein anderes. Und es muss nicht einmal ein besonders großartiges sein. Bescheiden reicht, vielleicht sogar voller Schwierigkeiten und Einschränkungen. Aber dieses Leben ist ihres und sie fühlen sich darin richtig und geborgen. Für dieses Lebensgefühl bietet die Bibel im 91. Psalm die richtigen Worte. Sie stecken voller poetischer Kraft.

Psalm 91 - Geborgenheit unter Gottes Schutz

Die Rede ist da von einer Burg, in der man sich geborgen weiß. Man hat keine Angst „vor dem Grauen der Nacht, vor den Pfeilen, die des Tages fliegen, vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die am Mittag Verderben bringt.“

Das klingt gut. Gerade jetzt, wo so vieles durcheinandergerät. Wer wollte sich da nicht geborgen fühlen, wie es der Psalm beschreibt?

„ ... Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten ..."

Wie kommt man da hin? So viel Schutz und Zuflucht kann nur Gott bieten. Das sagt der Psalm und beschreibt dann auch wie: Wenn du an Gott glaubst, wird er auf dich aufpassen – und zwar so, dass dir – Zitat – „kein Übel begegnen wird und keine Plage deinem Haus nahen wird, denn Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.“ Wunderschöne Verse, gerne werden sie bei Taufen oder Hochzeiten zitiert.

Natürlich läuft das nicht immer so schön und so glatt. Das weiß auch der Mensch, der diesen Psalm gedichtet hat. Auch Menschen, die in sich ruhen, kennen stürmische Zeiten.

Adele singt vom Leben auf der Achterbahn

Von solchen Zeiten singt die Popsängerin Adele. Ausnahmezustände kennt sie aus ihrem Leben gut. Adele weiß vom Chaos der Gefühle, vom Auf und Ab ihrer Beziehungen. In ihren Songs spricht sie vom Leben auf der Achterbahn. Dadurch lässt sie seit zwölf Jahren alle teilhaben, die es interessiert. Sie singt darüber. Und das tut sie sehr erfolgreich. Gerade hat sie ihr drittes Album herausgebracht. Es trägt den Titel 30, ihrem Alter entsprechend. In einem Song verrät sie, wie sie es auf der Achterbahn ihres Lebens mit Gott hält. Der Song trägt den Titel „Oh, my God“ – oh, mein Gott.

„Oh, my God“

Musik

 Ich habe nicht viel Zeit. Aber ich werde mir Zeit für dich nehmen, um dir zu zeigen, wie sehr ich dich mag. Ich wünschte, ich würde dich meine Mauern durchbrechen lassen. Aber ich bin immer noch ganz wirr im Kopf, außer Kontrolle vom Sturz. Junge, du gibst gute Liebe, ich werde nicht lügen. Das ist es, was mich immer wieder zurückkommen lässt, auch wenn ich Angst habe. Ich weiß, dass es falsch ist. Aber ich will Spaß haben.“

Eine neue Beziehung und neues Gefühlschaos

Adele möchte ihre Mauern einreißen für das Gefühl, das sie gerade erfüllt. Sie spielt mit dem Feuer. Jahrelang hat sie in einer On/Off-Beziehung gelebt, sich dann schließlich unter größten Schmerzen getrennt. Nun rappelt sie sich gerade auf, sortiert sich neu, kommt auf ihre eigenen Beine, lernt eigenständig zu leben. Und da mitten hinein fängt sie an, mit einer neuen Beziehung zu spielen. Eigentlich ist das noch nicht dran. Sie weiß: Es ist falsch. Aber es ist so reizvoll. Allzu reizvoll. Also stürzt sie sich wieder hinein in das Gefühlschaos, in die Turbulenzen des Lebens. Ihre gerade erst reifende Souveränität gibt sie auf. Widersprüchlich eben - wie so vieles im Leben.

Sie singt davon, dass die Leute um sie herum nur den Kopf schütteln und sie für verrückt halten. Das tut sie selbst auch. Aber sie will sich treu bleiben – und das bedeutet für sie in diesem Moment, diesem Gefühl nachzugehen.

Zwei Dinge finde ich an dem Song bemerkenswert. Zum einen, wie cool sie ihn singt. Der Text erzählt von ihrem Gefühlswirrwarr. Doch sie singt ihn mit einer überlegten, geradezu lässigen Ruhe. Die Spannung zwischen diesen beiden Polen macht den Reiz des Songs aus, finde ich.

Auf Gott zugehen in aller Unfertigkeit

Das zweite Bemerkenswerte für mich ist, wie Adele dabei Gott ins Spiel springt. Sie geht mit ihrem ganzen Gefühlschaos zu Gott. Dabei versucht sie gar nicht erst, irgendetwas davon zu verbergen. Sie versucht auch nicht, sich irgendeine Entschuldigung oder Erläuterung zurechtzulegen. In all ihrer Unfertigkeit geht sie auf Gott zu, macht ihn quasi zum Komplizen ihrer Gedanken.

Musik

Oh mein Gott, ich kann es nicht glauben. Weg von allen Menschen auf der Welt. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, aus meinem Leben in deine Arme zu springen? Vielleicht, Schatz, verliere ich nur den Verstand. Denn das ist Ärger, aber es fühlt sich richtig an, an der Ecke von Himmel und Hölle nicht mehr weiter zu wissen. Es ist eine Schlacht, die ich nicht ausfechten kann.

Himmel und Hölle liegen direkt nebeneinander

Für Adele liegen Himmel und Hölle direkt nebeneinander, die beiden haben eine gemeinsame Ecke. Genau an der befindet sie sich gerade, und genau da will sie auch sein. Und gleichzeitig singt sie: Ich weiß, ich mache gerade einen Fehler, es ist falsch.

Es gehört schon etwas dazu: Sehenden Auges einen Fehler zu machen und dann dafür Gott um Beistand zu bitten. Jedenfalls entspricht das nicht der landläufigen Vorstellung. Viele Leute denken ja, Gott sei so eine Art strenger Übervater. Und dem könnten sie nur unter die Augen treten, wenn sie sich moralisch korrekt verhalten. Andere möchten sich am liebsten ganz vor seinem strengen Blick verstecken, damit ihre Schwächen und Fehler verborgen bleiben.

Die eigenen Fehler und Schwächen nicht vor Gott verstecken

Adele macht das anders. Sie geht mit ihrer Schwäche unter dem Arm schnurstracks auf Gott zu. Das Video zu dem Song unterstreicht das noch. Es beginnt mit einem Apfel, dem Symbol der Sünde in der Bibel. Adam und Eva sollen ihn nicht essen. Doch sie tun es trotzdem. Gott verbannt sie deshalb aus dem Paradies. Was wird Adele mit dem Apfel machen? Das wird am Ende des Videos enthüllt.

Dazwischen fährt der Film erst einmal vorbei an Menschen voller feuriger Leidenschaft, wie sie Adele empfindet. Am Ende taucht der Apfel wieder auf. Und was tut Adele? Sie greift zu und beißt hinein. Als wolle sie sagen. „Siehst Du, Gott, ich bin wie Eva und Adam. Auch ich bin für das Paradies verloren.“ Doch damit ist sie noch lange nicht für Gott verloren. Den dritten Vers singt sie als Gebet, sie wendet sich also direkt zu Gott:

Musik

Herr, lass mich nicht im Stich. Lass mich nicht mich selbst im Stich lassen.“

„Gott gibt mir die Kraft, mich selbst zu retten“

Adele deutet hier in wenigen Worten ein Verhältnis zu Gott an, das ich großartig finde. Mir gefällt, dass sie sich traut zu leben. Mir gefällt, dass sie darüber selbstkritisch und ehrlich reflektiert. Mir gefällt, dass sie sich mit all ihrer Unfertigkeit an Gott wendet. Und mir gefällt, um was sie Gott bittet: Zunächst betet sie: Gott, lass mich nicht fallen. Dann aber auch: Lass mich mich selbst nicht fallen lassen. Positiv ausgedrückt wäre das ungefähr so: Gott, gib mir die Liebe, mich selbst zu lieben. Gott gibt mir die Kraft, mich selbst zu retten.

Auf Gottes Hilfe vertrauen

Wenn Adele ein Bild für Gott finden würde, wäre es vermutlich nicht die Burg wie im Psalm. Es wäre wohl eher ein Schiff, auf dem sie den Stürmen trotzen kann. Und dafür muss man nicht alles richtig machen. Man muss nicht einmal versprechen, dass man künftig alles richtig machen wird. Man muss nur Gott anrufen und auf seine Hilfe vertrauen.

Gottes Fürsorge gilt gerade denen, die im Sturm zu kämpfen haben

Damit kommt man dem Gott, von dem die Bibel spricht, ganz nahe. Gottes Fürsorge gilt nicht in erster Linie denen, die mit ihrem Leben ohnehin schon gut klarkommen, sondern gerade den anderen, die im Sturm zu kämpfen haben. Gerade dann hört Gott. Davon spricht auch der Psalm. Er formuliert am Ende die Antwort Gottes auf das Gebet, die sich alle Menschen von Gott wünschen. Auch Adele. Dass Gott nämlich sagt: „Du rufst mich an, darum will ich dich erhören. Ich bin bei dir in der Not, ich will dich herausreißen und zu Ehren bringen. Ich will dich sättigen mit langem Leben und will dir mein Heil zeigen.“

Heute ist der erste Sonntag in der Passionszeit. Noch sieben Wochen bis Ostern. Zeit genug inmitten der Turbulenzen des Lebens mit dem Beistand Gottes zu rechnen und Gott dafür anzurufen.

Musik

 

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