Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Das verstoßene Schaf
pixabay / Digital Photo and Design DigiPD.com

Das verstoßene Schaf

Ein Beitrag von Mirjam Jekel, Evangelische Theologin, Rüsselsheim
Beitrag anhören:

Es gibt eine biblische Geschichte, von Jesus als Hirten. Jesus der Hirte geht los, um ein verlorenes Schaf zu suchen. Gewöhnlich wird sie so ausgelegt: Jesus ist jedes Schaf wichtig. Und wenn eins fehlt, geht er los und sucht es. Niemand ist verloren. So wird diese christliche Klassiker-Geschichte meistens verstanden.

Gegen den Strich gebürstet

Ich kenne da einen Cartoon, der sieht die Geschichte anders und fragt: Was, wenn das Schaf sich nicht verirrt hat? Wenn es alleine ist, weil die anderen Schafe es rausgeworfen haben?

Der Cartoon zeichnet die Schafherde. Es sind alles weiße Schafe. Sie stehen sicher auf einer Koppel. Jesus kommt zur Herde und hat das verlorene Schaf dabei. Das Schaf hat regenbogenfarbene Wolle.

Die Herde auf der Koppel sagt: Nein, dieses Schaf war nicht verloren, das haben wir rausgeworfen! Und Jesus sagt: Ich weiß, und ich bin es suchen gegangen. Denn dieses bunte Schaf gehört genauso zu mir wie alle anderen Schafe.

Regenbogenfahne

Die regenbogenfarbene Wolle erinnert an die Regenbogenfahne. Die haben sich schwule und lesbische Menschen ausgesucht, um auszudrücken: Wir sind hier, wir sind genau so viel Wert wie alle anderen Menschen, und wir wollen uns nicht mehr verstecken. Heute stehen die Regenbogenfarben für ein ganzes Spektrum von unterschiedlichen Lebensweisen.

Der Cartoon prangert an, was auch heute noch passiert, auch in Deutschland: Menschen, die nicht in das Bild von heterosexuellen Männern und Frauen passen, bekommen vermittelt: Du gehörst nicht dazu.

"Du gehörst nicht dazu"

Ich denke da an einen Bekannten, der ein paar Jahre nach mir anfing, Theologie zu studieren. Einige andere Studierende haben ihm immer wieder das Gefühl vermittelt: Du gehörst hier nicht hin. Du bist falsch, weil du schwul bist. Es hat ihn zermürbt. So sehr, dass er das Studium irgendwann abgebrochen hat.

Eine Variante, die ich auch oft höre, ist: Schwul sein oder lesbisch ist schon ok, aber doch bitte nicht so auffällig. Aber wenn die eigene Wolle nun mal bunt ist, und zwar von der Wurzel an? Da ist nix zu machen mit Scheren oder Färben, die Wolle wächst bunt nach.

Das Schaf ist nicht zu ändern, auch nicht unter Zwang. Und der Versuch dazu ist schlimm. Das vermittelt Menschen: So, wie ich bin, bin ich falsch. Und das tut verdammt weh.

Wolle ist Wolle - egal welche Farbe

Das ist das Gegenteil von christlicher Nächstenliebe. Christlich ist es, sich auf die Seite derer zu stellen, die ausgegrenzt werden. Die Bibel sagt: Liebt euch untereinander. Helft einander. Verurteilt euch nicht. Im Bild der Schafe im Cartoon: Nehmt einander an, egal welche Farbe eure Wolle hat.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren