Der Engel in armseligen Schuhen
Es gibt auch seltsame Engel. Daran denke ich heute, an Michaelis, dem Tag der Engel. Es gibt Engel, schlecht gewaschen, mit ärmlicher Kleidung und alten Schuhen. Wie der Engel auf der Bank in der Stadt. Die Bänke sind neu und sehr lang. Man kann gut darauf liegen. Und schlafen; mitten am Tag. Der Mann liegt mit dem Kopf auf einer Tasche. Seine Arme sind in der Jacke versteckt. So liegt er da. Und scheint zu schlafen.
Tut er aber nicht. Denn plötzlich ruft er laut: Vorsicht! Ein kleiner Junge neben ihm erschrickt und bleibt wie angewurzelt stehen. Zum Glück. Es kommt nämlich ein Radfahrer mit hoher Geschwindigkeit. Wäre der Junge nur noch einen Schritt gegangen … Ich will lieber nicht weiterdenken. Jedenfalls geschieht kein Unfall. Weil der Engel da war.
Ein seltsamer Engel. Ohne ein weißes Gewand, ohne Flügel. Und auch kein Goldstaub im Haar. Dafür zottelige Kleidung, langer Bart und armselige Schuhe. Er liegt einfach nur da, der Engel. Scheint zu schlafen. Tut er aber nicht. Dafür tut er, was Engel tun: Aufpassen. Aufeinander achtgeben. Er schaut auf kein Handy und nicht in die Luft. Er achtet auf einen Jungen. Beschützt ihn. Einfach so. Vielleicht schläft er dann ein, der Engel auf der Bank in der Stadt. Er hat ja sein Werk getan, mit Gottes Hilfe.
Engel sind Diener Gottes. Ob sie das wissen oder nicht. Auch der merkwürdige Engel auf der Bank ist Gottes Helfer. Er hat einfach aufgepasst. Und wer auf Menschen achtgibt, ist ein Engel. Mit Gottes Hilfe.