Das sind wir Gott schuldig
Sie ist sechzehn Jahre alt. Und wird gemobbt. Gehänselt, sagten wir früher. Seit sie sieben ist, sagt Chloe, geht das so. Ihr Name, ihr Aussehen, ein Sprachfehler. Das übliche eben. Sie redet nicht drüber. Erst vor ein paar Tagen, als der Abschlussball näher kommt. Chloe hat Angst. Aber sie hat auch einen Onkel. Als der das hört, zögert er nicht. Der Onkel hat einen Motorradclub, über hundert Fahrer. Alle machen mit; ziehen ihre Kluft an, Helm auf und los geht’s. Sie holen Chloe ab und geleiten sie zum Ballsaal.
Die anderen Schüler staunen nicht schlecht. Sie sind mit dem Bus gekommen oder zu Fuß. Nicht so Chloe. Die kommt wie eine Königin. Hundert Motorradfahrer begleiten sie. Respekt, denken die anderen. Und klatschen Beifall, als sie am Ballsaal ankommt (stern.de, 5.7.2018). Es scheint geschafft. Chloe wird anerkannt, ist eine von ihnen.
Respekt ist der Schlüssel. Ein Mensch ist nicht sein Aussehen oder sein Sprachfehler oder seine Behinderung, er ist zuerst Mensch; mein Fleisch und Blut. Herabsetzung verboten. In der Schule, im Verein, in der Nachbarschaft: Wir sind Menschen. Mit Lasten und Freuden; mit Können und Versagen. Jeder und jede verdient Respekt. Menschsein ist nicht leicht, aber möglich. Dazu bedarf es, dass wir einander mit Achtung ansehen, zuhören und behandeln. Niemand ist besser, nur weil er gesund ist oder Geld hat. Jeder und jede verdient die Achtung, die er bei Gott längst hat. Je geringer sich ein Mensch fühlt, desto höher unsere Achtung vor ihm. Das sind wir Gott schuldig.