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Die Tagesschau wird 60 Jahre alt
Bild: Pixabay

Die Tagesschau wird 60 Jahre alt

Ein Beitrag von Janine Knoop-Bauer, Evangelische Pfarrerin, Darmstadt

Rituale geben Stabilität. Seit sechzig Jahren ist die Tagesschau ein Ritual, das vielen Orientierung gibt. Am ersten Oktober 1956 lief die erste Ausgabe. Sie informierte die damals noch nicht so große Fernsehgemeinde über das Wichtigste aus der Welt. Die Tagesschau ist seitdem zu einer Institution geworden. Für viele Menschen ist sie ein fester Bestandteil des Tagesablaufs. Als ich ein Kind war, spürte ich das noch mehr. Da konnte man ja nicht Nachrichten zu jeder beliebigen Zeit im Internet anschauen.

Pünktlich um zwanzig Uhr wurde der Fernseher eingeschaltet. Meine Eltern wollten für eine Viertelstunde nicht gestört werden. Für uns Kinder war es das Ende des Tages. Dann mussten wir im Bett liegen. Als wir älter waren, durften wir mitschauen und waren fasziniert von der Ernsthaftigkeit und Seriosität von Karl-Heinz Köpke oder Dagmar Berghoff. Tag für Tag wurden wir so über das informiert, was in der Welt geschah. Wir teilten das mit Nachbarn und Freunden, die natürlich auch Tagesschau sahen. So konnte man mitreden. Bis heute fühlt sich meine Mutter unwohl, wenn sie mehrere Tage nicht dazu kommt die Nachrichten zu schauen. „Ich muss doch wissen, was in der Welt los ist!“ sagt sie dann.

Rituale geben dem Leben Stabilität. Wiederkehrende Abläufe sorgen dafür, dass man sich im Leben leichter orientieren kann. Die Tagessschau ist eines, das viele Menschen in Deutschland bis heute miteinander teilen. Wissen, was in der Welt los ist, das ist auch mir als Christin wichtig. Der Theologe Karl Barth hat einmal gesagt, Theologie solle man treiben mit der Bibel in der einen und mit der Zeitung in der anderen Hand. Er nannte das kritische Zeitzeugenschaft. Als Christ soll man nicht nur die Bibel kennen, sondern auch das Leben. Und dann die Geschichten der Bibel auf das Leben heute beziehen. Wissen, was los ist: Karl Barth hat deshalb Zeitung gelesen. Ich schaue lieber die Tageschau.

Manchmal belastet mich das aber auch. Zu wissen, was in der Welt los ist, bedeutet ja auch mitzubekommen, was alles nicht in Ordnung ist. Und das ist eine Menge. Mir hilft dann ein anderes Ritual in meinem Leben: Ich bete. Jeden Abend bringe ich vor Gott, was mich am Tag beschäftigt hat. Ich danke für die Dinge, die gut liefen und rede mir von der Seele, was mich belastet. Und ich bete für andere. Auch für die Menschen, von denen ich in der Tagesschau erfahren.

Manche sagen: Das bringt nichts. Sie sagen: Spende doch lieber Geld, davon haben die Leute in Katastrophengebieten mehr als von deinen Gebeten. Ich sage dann: Spenden ist gut, mach ich auch. Aber das geht nicht immer. Wenn ich bete, tue ich trotzdem etwas. Ich bete so etwas wie:„ Gott, lass die Menschen nicht alleine!„ Stärke die Leute, die vor Ort helfen!“ Für mich ändert das etwas. Ich weiß: Die Menschen sind dann nicht allein, an die ich denke. Ich vertraue sie Gott an. Ich weiß, auch andere beten so. Das bedeutet: Wer leidet, ist nicht vergessen. Das macht für mich einen großen Unterschied. Die Tagesschau ist ein Ritual, das vielen Orientierung gibt. Mir hilft sie auch beim Beten.

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