„Freiheit – ist das einzige, was zählt!“
„Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen. Das Lied gehört für mich fest zum Tag der Einheit. In der Euphorie der Jahre1989 und 1990 habe ich es mitgegrölt. Dafür wusste ich nur zu gut, wie beklemmend das immer war, im kleinen Grenzverkehr von Kassel mit ´nem alten Polo voller Mitschüler nach Eisennach zu fahren:
Kontrolliert wie eine Gang Verdächtiger. Wie leicht und frei das heute ist - zwischen Herleshausen und Wartha! Und wie leicht sich der Tag heute für Schüler anfühlt! Weil: Grenze weg und Freiheit da – und: immer schulfrei am 3. Oktober!
Genaugenommen hat Marius Müller-Westernhagen damals ja eigentlich der Einheits-Euphorie mit seinem Text in die Suppe gespuckt: „Freiheit - ist die einzige die fehlt!“.
Huch! Er singt mitten in das deutsch-deutsche Wunder hinein: Die Verträge sind gemacht, aber die Freiheit wurde wieder abbestellt! Hätte man mehr aus der deutschen Sternstunde machen können? Wurde die große Sehnsucht nach Freiheit eingetauscht und verhökert für schnelle Konsumgleichheit und Ost-West-Konformität? Müßig, heute darüber zu spekulieren.
Am Tag der Einheit 2016 ist mir aber wichtig, mehr denn je mitzusingen: „Freiheit ist das einzige, was zählt!“ Wer hätte 1989 und ´90 gedacht, dass Freiheit heute wieder so ein großes Thema wird? Terror und Attentate wickeln neu Stacheldraht aus – und lassen Angst wachsen. „Der Mensch ist leider primitiv.“, textet Westernhagen. Stimmt. Beklemmung 2016: Wo kann man denn heute noch sicher hingehen? Und wie überspringt man diese Furcht mutig mit einem großen Satz – wie einst der Berliner Soldat an der Bernauer Straße die Grenzbarriere?
Westernhagen rät: „Alle, die von Freiheit träumen, sollen's Feiern nicht versäumen!“ Das hört sich für mich heute wohltuend trotzig an. Und wohltuend christlich, wenn er nachlegt: „Sollen tanzen auch auf Gräbern!“ Ich jedenfalls kann das nicht anders hören als an Auferstehung und den Sieg des Lebens zu denken. Dass Gott den schenkt, glaube ich. Und feiere es. Freiheit – in allem, trotz allem. Sogar in Bedrohung und Tod. Das gibt der Furcht ihr Maß. Ich bin so frei zu denken und zu reden. Mich mit andern zu versammeln und zu feiern. Der Zukunft etwas zuzutrauen und sie mitzugestalten. Wir sind so frei! Und wollen´s Feiern nicht versäumen!