Geborgen bei Gott
Etwas verloren steht sie am Totensonntag in der Wohnung.
Das war ihr zu Hause.
Wie lange ist sie hier ein und ausgegangen. Hat ihre Mutter besucht.
Sie streicht mit der Hand über die Lehne von dem Lieblingssessel der Mutter.
„Ach Mama!“
Das Krankenbett, in dem die Mutter zuletzt lag ist längst abgebaut.
Die Medizin ist verschwunden.
Die Papiere ebenso, die sie auf der Küchenanrichte hingelegt hatte, die alle fertig gemacht werden mussten. Sie seufzt.
Jetzt muss die Wohnung ausgeräumt werden.
Die Wohnung, in der sie so lange glücklich war.
Ob sie noch einmal in den Garten gehen soll? Der war der Mutter immer besonders wichtig gewesen.
Unschlüssig geht sie zurück zur Eingangstür.
Vor der geschlossenen Tür bleibt sie stehen.
„So ist der Tod“ – denkt sie – „Wie eine verschlossene Tür – und ich habe keinen Schlüssel.“
Dann gibt sie sich einen Ruck und geht in den Garten ihrer Mutter.
Schaut sich noch einmal hier um.
Leer und verlassen wirkt er jetzt.
Langsam kniet sie nieder und schneidet die letzten Rosen vorsichtig ab. Nimmt sie mit.
Sie fährt zum Friedhof.
Viele tun das am Ewigkeitssonntag.
Sie geht zum Grab.
Bleibt dort stehen – so viele Bilder und Erinnerungen steigen in ihr auf.
„Geborgen in Gottes Liebe“ steht da.
Auch all die gemeinsamen Erlebnisse?
Auch all ihre Trauer?
Ihr Allein-Sein?
Ihre Zweifel?
Einen Moment zögert sie noch.
Dann legt sie die Rosen ans Grab.
Ein warmes Gefühl durchflutet sie.
Es ist, als würde sich eine innere Tür öffnen. Tief in ihr.
Und einen Moment, einen langen, wunderschönen Moment lang ist sie sich sicher:
Sie ist geborgen bei Gott.