An der Pforte
Sonntags kommen zehn an die Pforte. Trinken heißen Kaffee. Nach sieben Uhr treffen sie ein, bekommen Kaffee und ein Stück Brot. Die alte Schwester an der Pforte sorgt dafür, dass der Kaffee nicht ausgeht und Brot geschmiert ist für die, die nichts haben. Sie kommen von der Parkbank oder aus dem Rohbau, wo sie geschlafen haben. Die Nacht war kühl. Ihre Jacken sind klamm. Manche haben ein Zimmer, aber kein Geld mehr für Brot. Wer draußen schlafen muss und kein Waschbecken hat, riecht manchmal streng. Für die Schwester an der Pforte ist das nicht wichtig. Sie kennt die Frauen und Männer, die zum Kaffee an die Tür kommen. Manchmal sind es vierzehn, auch mal zwanzig. Die ersten kommen kurz nach sieben, die letzten gegen neun Uhr. Dann ist Schluss mit Kaffee. Wenn es bitterkalt ist, drängen sich die Gäste im kleinen Hausflur, um nicht noch mehr zu frieren.
Die Pforte ist lebenswichtig. Heißer Kaffee nach kalter Nacht, dazu Brot mit Butter und Wurst. Eine Wohltat. Und kein Vorwurf, kein verächtliches Wort, kein schiefer Blick. Nur die alte Schwester mit schneeweißer Haube, die freundlich ‚Guten Morgen‘ sagt und Kaffee reicht. Da ist man mal Mensch. Ein bettelarmer zwar, aber ein Mensch. Böse Worte gibt es noch genug am Tag. Jugendliche und Erwachsene schimpfen und sagen: Arbeitet gefälligst. Ja, aber was? Es gibt kaum Arbeit. Manche haben einfach keine Kraft mehr nach zehn Jahren auf der Straße. Und erst der Alkohol. Schlimm ist das. Manchmal tut alles weh, wenn sie morgens aufstehen von der Parkbank oder im Rohbau.
Und dann - das Glück. An der Pforte. Die Schwester ist da, wünscht ‚Guten Morgen‘, bringt Kaffee. Heiß mit Zucker, das macht lebendig. Fast ein bisschen selig. Wenn die Pforte nicht wäre, wissen die von der Parkbank, wäre ihr Leben nur trostlos. Rabenschwarz. Morgen kommen sie wieder. Morgen ist wieder geöffnet. Als mache der Himmel mal kurz seine Pforte auf. Nur für sie. Unverlierbar.