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Meter
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Meter

Michael Tönges-Braungart
Ein Beitrag von Michael Tönges-Braungart, Pfarrer

Am 20. Mai 1795 wurde er in Paris festgelegt: der Meter als der vierzigmillionste Teil des Meridians, der durch die Pariser Sternwarte verläuft. Noch heute liegt er in Paris hinter dicken Panzertüren, der so genannte Urmeter, aus Platin gefertigt. Eine revolutionäre Idee war das damals: ein Längenmaß zu entwickeln, das auf objektiven Größen beruht und an dem sich alle Nationen orientieren können. Schließlich gab es zu jener Zeit allein in Deutschland dreißig verschiedene Ellen, die zwischen 50 und 80 Zentimeter lang waren. Ein gleicher Maßstab für alle – eine verlockender Gedanke.

Nicht nur im Blick auf Längenmaße ist das so, sondern auch im Blick auf unsere ethischen Maßstäbe. Was soll gelten in unserer Gesellschaft – diese Frage ist heute aktueller denn je. Dass christliche Werte und Normen unser Zusammenleben bestimmen, ist längst nicht mehr unumstritten. Zwar gehört die Mehrheit der Bevölkerung einer christlichen Kirche an, aber die Zahl derer wächst, die christliche Maßstäbe nicht mehr gelten lassen wollen.. An den Diskussionen um das Tanzverbot am Karfreitag wurde das deutlich. Außerdem leben in unserem Land inzwischen Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturen und Religionen zusammen – mit unterschiedlichen Maßstäben für das, was gut und böse, richtig und falsch ist.

Ein allgemein verbindlicher und von allen anerkannter Maßstab – so wie der Urmeter in Paris – der ist noch nicht gefunden. Natürlich haben wir unser Grundgesetz. Aber auch hier stellen heute manche die Frage, ob es nicht zu sehr der christlichen Tradition verhaftet ist. Im Gegenzug ist die Vielfalt der Werte und Normen, die heute nebeneinander stehen, für andere ein Grund, eine christliche Leitkultur für unsere Gesellschaft zu propagieren.

Ich glaube nicht, dass das die Lösung unserer Diskussion über ethische Maßstäbe sein kann. Christen können und müssen sich in diese Diskussion einbringen und dürfen da auch die Maßstäbe vertreten, die die Bibel zum Beispiel mit den Zehn Geboten bietet. Oder den Grundsatz, der auch bei anderen auf Zustimmung treffen könnte. Den hat Jesus einmal gesagt: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!“ (Matthäus 7, 12) Das ist vielleicht so etwas wie ein „Christlicher Urmeter“.

Christen haben damit nicht das letzte Wort in der Diskussion um Werte und Maßstäbe, sondern müssen mit anderen im Gespräch bleiben.

Übrigens: Auch der Urmeter in Paris hat nur noch historischen Wert. Wissenschaftler bestimmen den Meter heute mithilfe der Zeit, in der Licht von einem bestimmten Punkt zum anderen läuft. In den angelsächsischen Ländern sind außerdem bis heute Fuß und Zoll in Gebrauch. Und wir kommen damit zurecht.

Christen müssen vor den Wertediskussionen keine Angst haben. Den „christlichen Urmeter“ können sie ruhig selbstbewusst einbringen.

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