Ihr Suchbegriff
Der Fischer und sine Frau
Bildquelle Pixabay

Der Fischer und sine Frau

Eva Rudolf
Ein Beitrag von Eva Rudolf, Redakteurin im Bistum Fulda

„Manntje, Manntje, Timpe Tee, Buttje, Buttje in der See! Myne Fru, de Ilsebill, will nicht so, as ik wol will.“ Der Ruf des Fischers aus dem Märchen schallt über das brodelnde und von Szene zu Szene ekliger und unwirtlicher werdende Meer. Seine Frau will nicht, was er will, nämlich bescheiden und hilfsbereit sein. Wenn es nach ihm ginge: die Familie wäre in ihrem Putt sitzen geblieben. Putt, das ist der Anteil an einer Hütte, die man mit anderen Parteien teilt. Wenn man so will, die Urform der Wohnungsbaugenossenschaft für die Ärmsten der Armen. Und dem Fischer wäre das genug gewesen. Er hätte dem Butt, dem verwunschenen Prinzen, ohne jede Gegenleistung das Leben geschenkt. Aber seine Frau nicht. Mehr und mehr verlangt sie. Jeden Tag schickt sie ihren armen Mann zurück an die Wasserkante und lässt ihn verlangen, dass ihr größere Reichtümer gezaubert werden: Haus, großes Haus, Schloss, König will sie sein, Kaiser und dann – merkwürdig genug: Papst. Und jedes Mal antwortet der sprechende Butt dem Fischer: „Geh nur hin. Sie sitzt ja schon drin im Schloss, sie ist ja schon König, Kaiser, Papst“. Aber als auch das die Gier der Frau nicht stillt, entscheidet sie sich für ihren – wie sich herausstellen soll – letzten Wunsch. Sie will endlich sein wie der liebe Gott. „Manntje, Manntje, Timpe Tee, Buttje, Buttje in der See!“ Wer die Geschichte zum ersten Mal hörte, könnte fragen: Was wird geschehen? Wird ihr auch dieser Wunsch erfüllt? Wird der Hörer nun erfahren, wie es im Paradies ist? Nein! Das können der Zauberfisch und Gott sich nicht bieten lassen! Die Frau hätte schon nach ihrem zweiten oder dritten Wunsch in die Schranken gewiesen werden müssen. Bestimmt wird sie jetzt bestraft für diesen unverschämten Wunsch, oder? Paradies oder Strafe? Was wird geschehen? Weder noch! Es sieht so aus, als sei die Frau bestraft! Am Ende sitzt sie wieder in ihrem Putt, im Elend und hat nichts zu essen, ganz wie am Anfang der Geschichte.

Die Frau sitzt am Ende wieder arm im Schmutz. Das ist richtig. Bloß ist das keine Strafe. Lediglich ist ihr Wunsch in Erfüllung gegangen.

„Du willst sein wie der liebe Gott? Kein Problem. Nimm hin!“ Gott, von dem die Bibel erzählt, hat im Gegensatz zu „myner Fru der Ilsebill“ keine Schlösser und Paläste nötig. Er begibt sich aus freien Stücken in das Elend des menschlichen Daseins. Er kommt im Stall zur Welt, geht zu den armen Menschen und stirbt den Tod eines Außenseiters am Kreuz. Dem Leiden weicht er nicht aus. Er wählt und teilt es. Arme Ilsebill – das hat sie wohl nicht gewusst.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren