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Scheidungen
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Scheidungen

Andrea Weitzel
Ein Beitrag von Andrea Weitzel, Katholische Schulseelsorgerin und Religionslehrerin, Hanau

Die Ehen halten wieder länger. Das meldeten im Januar etliche Zeitungen.

Nach der Statistik des Jahres 2009 blieben Ehepaare durchschnittlich 14 Jahre und vier Monate zusammen. Zwanzig Jahre zuvor waren es nur elfeinhalb Jahre.

Das klingt nicht nach sehr viel, wenn man bedenkt, wie alt Ehepaare heute miteinander werden können. Mit der eigenen Silberhochzeit zu rechnen, gilt nicht mehr als vermessen. Selbst Goldene Hochzeiten häufen sich, 50 Jahre Ehe zu feiern ist schon kaum noch was Besonderes.

Demgegenüber wirken 14 Jahre und 4 Monate etwas mager. Sie sind eben ein Durchschnittswert. Und der zeigt: Die meisten Menschen wollen nach wie vor paarweise durchs Leben gehen, und zwar möglichst lange.

Ein Leben zu zweit, das ist ein uralter Wunsch. Schon die Bibel verleiht dem mit einem Vers aus der Schöpfungsgeschichte Ausdruck: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“, heißt es da.

Wer zusammenbleibt, tut das heute aus freien Stücken – nicht weil er oder sie muss. Auch das ist eine gute Nachricht. Frauen sind zunehmend wirtschaftlich unabhängig und können ihren eigenen Weg gehen, wenn das gemeinsame Leben zur Hölle wird. Sie müssen es nicht mehr an der Seite eines Quälgeistes aushalten.

Gleichzeitig sind die Erwartungen an ein zweisames Leben bis ins hohe Alter sehr hoch. Und je höher die Erwartungen, desto mehr schmerzt die Enttäuschung, wenn es nicht klappt mit der eigenen Ehe.

In meinem Verwandten- und Bekanntenkreis sind viele Ehen geschieden. Genau genommen, jede zweite. Manche Scheidung liegt schon 30 bis 40 Jahre zurück, und trotzdem kommen die Onkels und Tanten auch heute noch immer wieder darauf zu sprechen. Kaum ein Besuch endet, ohne dass die Scheidungsgründe abschließend noch einmal analysiert werden.

Vor kurzem beendete eine Verwandte ihre E-Mail an mich mit dem Postskriptum: „Wie schön, dass es bei euch klappt. Wieso war bei uns nur der Wurm drin?“ – Die Bemerkung fiel völlig zusammenhangslos.

Ich wünsche dieser Verwandten, dass sie mit ihrer Ehe abschließen kann. Dass sie den Ehestreit von damals auf sich beruhen lassen kann. Sie muss sich auch niemandem gegenüber rechtfertigen.

Die meisten Menschen müssen mit Brüchen in ihrem Leben fertig werden. Die einen, weil ihre Ehe kaputt geht, andere scheitern im Beruf, wieder andere überwerfen sich mit ihren Kindern. Es ist extrem schwer, mit solchen Brüchen und Abbrüchen fertig zu werden.

Aber es kann eine Hilfe sein zu wissen, dass bei anderen auch nicht alles glatt geht. Und dass man auf das Verständnis der anderen zählen kann.

Die frühere Bischöfin Margot Käßmann hat über ihre Brüche im Leben offen gesprochen, unter anderem auch über ihre Scheidung. Viele Menschen finden das deshalb so sympathisch, weil es ihnen offenbar ähnlich ergeht.

Jeder weiß, dass er oder sie mit dem Ideal eines Lebens in Zweisamkeit scheitern kann. Trotzdem lässt sich die Mehrzahl der Deutschen nicht daran hindern, die Ehe wenigstens zu versuchen. Die Meldung, dass die Ehen wieder länger halten, ist eine gute Nachricht. Das bestärkt die Hoffnung: Es kann trotz allem gelingen, gut gemeinsam zu leben

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