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Gott in der Stille finden?
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Gott in der Stille finden?

Gabriele Heppe-Knoche
Ein Beitrag von Gabriele Heppe-Knoche, Evangelische Pfarrerin, Kassel

Jeden Morgen, wenn ich aufwache, empfinde ich als erstes die Stille. Die Stille, die es an Werktagen nur in der Nacht und in den frühen Morgenstunden gibt. Im Haus schlafen alle noch. Vielleicht knackt oder brummt die Heizung ein bisschen. Aber das ist alles. Auch draußen ist die Welt noch nicht richtig wach. Gerade jetzt im Winter. Selbst die Vögel, die ja im Sommer noch vor Tagesgrauen zu singen beginnen, sind jetzt still. (und der Schnee dämpft die Geräusche noch mehr.) Diese seltenen Zeiten von Stille sind für mich kostbar. Sonst ist mein Tageslauf laut und voller Geräusche. Wasserkocher, Radio, Autoverkehr, das Telefon im Büro, Gespräche, - gleich beginnt alles und zieht sich bis zum Abend durch den Tag. Es wird immer wieder behauptet, in der Stille könne man Gott finden, denn wenn es still wird um uns herum könnten wir seine Stimme hören. Ich bin mir da nicht sicher. Zunächst einmal komme ich in der Stille zu mir selbst. Und das ist auch schon gut. Aber dass Gott dort bevorzugt zu uns sprechen soll, das bezweifle ich.

Denn für andere Menschen in anderen Lebenssituationen kann Stille durchaus ganz anders sein, lähmend und bedrohlich. Endlich war’s mal wieder richtig lebendig in meiner Wohnung, erzählt der Großvater nach dem Besuch seiner Enkelkinder, die noch klein und sehr lebhaft sind. Seine Augen strahlen dabei. Das habe ich so richtig genossen und ich habe auch noch gar nicht wieder aufgeräumt. So bleibt die Erinnerung noch ein bisschen länger. Und die Unordnung stört mich nicht. Sonst habe ich doch bloß diese entsetzliche Stille um mich und ab und zu mal das Telefon. Aber wenn die Kinder da sind, bin ich endlich wieder einmal ich selbst. Und fühle mich bei allem Trubel und aller Unruhe um Jahre verjüngt.

In der Stille finden wir Gott? Nein, da wo uns das Herz aufgeht, da wo wir lebendig sein können, wo wir nicht wie gelähmt dasitzen, sondern durchatmen und frei werden, da spüren wir etwas von seinem lebensschaffenden Geist . Ob es dann dabei laut und hektisch um uns ist oder still und bedächtig, das hat für Gott vermutlich gar keine Bedeutung.

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