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„Love's divine" von Seal
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„Love's divine" von Seal

Ksenija Auksutat
Ein Beitrag von Ksenija Auksutat, Evangelische Pfarrerin, Stockstadt

So ein schönes Liebeslied, das der britische Popsänger Seal da geschrieben hat. Damals, 2003, da war Seal schon mit Heidi Klum zusammen. Irgendwas war vorgefallen zwischen den beiden, denkt man so beim Hören, er hat sie enttäuscht, verletzt, vielleicht durch einen Seitensprung. Und nun erkennt er seinen Fehler, bittet sie um Entschuldigung und darum, ihn doch zu lieben. Ach wie schön, könnte man also bei diesem Hit von Seal denken. Er liebt sie wirklich! Ein echtes Liebeslied. Die Liebe ist göttlich, singt er. Dieser Song ist keine Liebesschnulze. Er geht, glaube ich, tiefer. Seal erzählt in „Love's divine“ von einem Tiefpunkt, einem Wendepunkt in seinem Leben. Wie ein Gewittersturm ist es über ihn hereingebrochen.

Der Gewittersturm, der zu Beginn im Hintergrund zu hören ist, bedeutet: Etwas hat den Sänger umgerissen. Als ob er am Boden liegt. Zusammengebrochen das, was Seal seine Seele nennt. Die Hoffnung, das Vertrauen, die ganze Welt, die doch so schön stabil schien. Seal singt hier nicht von einer Naturkatastrophe, sondern von seinem Leben, das er auch noch selbst verkorkst hat. Er hat einen Fehler gemacht - das wusste er vielleicht insgeheim längst. Aber jetzt ist es heraus, er kann und will es auch nicht länger schön reden. Er erkennt: Sein Tun hat für ihn katastrophale Folgen. Diese Erkenntnis ist der Tiefpunkt, ein Moment, in dem er erkennt, dass es kein "weiter so" gibt, als ob nichts gewesen wäre. Ich glaube, es gibt im Leben solche Augenblicke der Wahrhaftigkeit. Die meisten haben das irgendwann auch mal so oder ähnlich erlebt. Man tut etwas, von dem man weiß, dass es falsch ist, aber will es nicht wahrhaben. Drohen Konsequenzen, redet man sich heraus, flüchtet sich in Ausreden oder sogar Lügen. Aber irgendwann bricht das alles wie ein Kartenhaus zusammen. Es stimmte nicht, gar nichts.

Ich denke zum Beispiel an einen Mann, der ein kleines Unternehmen gegründet hatte. Viel Kraft und Zeit hatte er investiert, war überzeugt davon, dass er es mit seinem Fleiß schaffen würde. Aber die Kunden blieben aus. Freunde liehen ihm Geld, später warnten sie ihn. Nach fast drei Jahren kam für ihn der Augenblick der Wahrheit mit einem Brief seiner Bank. Er war zahlungsunfähig, sein Unternehmen war gescheitert. Oder ich kenne Paare, die im Augenblick einer Krise erkennen, dass es schon seit langem nicht mehr stimmte zwischen ihnen. Dass es Gewohnheit war, die sie zusammen band, aber nicht mehr Liebe. Sie haben sich auseinander bewegt, dem anderen dadurch tiefe Verletzungen zugefügt. Und sein Selbstbild beschädigt. Ich kenne auch jemanden, der sich einfach nicht binden konnte. Der weglief. Bis er eines Tages erkannte, dass er seine Freundin eigentlich über alles liebte, sie aber aus Angst vor dieser Bindung so vor den Kopf gestoßen hatte, dass sie Schluss gemacht hatte mit ihm. Da steht man dann vor einem Scherbenhaufen. Die Pläne über den Haufen geworfen, schlimmer noch: Das Selbstbild angeknackst. In einem drin herrscht Stille - und Leere. Man nennt das Krise. Ein Tiefpunkt, damit aber auch: Ein Wendepunkt. So ging es auch Seal.

Nach der bitteren Selbsterkenntnis, nachdem er sich eingestanden hat, dass er ans Ende gekommen war mit seinem Verhalten, beginnt er aus einer Eingebung heraus zu beten. Wonach er sich jetzt sehnt, ist Liebe und Vergebung. Was Seal da beschreibt ist ziemlich nah am Leben. Wir brauchen in solchen Krisen jemanden, der uns den Spiegel vorhält. Der uns die Wahrheit erkennen lässt, uns aber nicht verwirft. Der uns eine zweite Chance gibt. Manchmal sind das Menschen, die uns lieb haben. Ich glaube, es ist letztlich Gott, der jedem, der an so einen Punkt gekommen ist, mit Liebe und Vergebung begegnet. Die Bibel erzählt Geschichten von Menschen, die versucht haben, mit ihrem Leben ins Reine zu kommen. Seal erinnert mich mit seinem Lied an den Propheten Elia. Im Alten Testament im 1. Buch der Könige wird von ihm erzählt. Elia war unterwegs, im Auftrag Gottes sogar, wie er dachte. Aber er hatte selbst unsägliches Leid verursacht, und war vor dieser Erkenntnis in die Wildnis geflohen Mitten in der Wüste ist er dann zusammengebrochen. Als Elia wieder zu Kräften kam, wollte er wissen: Was soll ich tun? Wie kann ich weiter machen, weiter leben? Und Gott begegnete ihm. Gott aber kam ihm nicht in einem Gewittersturm, nicht in einer Naturkatastrophe, sondern in einem stillen, leisen Lüftchen. Erst, als Elia alles Großartige abgestreift hatte, da erschien ihm Gott und machte ihm Mut, einen neuen Weg einzuschlagen.

Dabei haben ihm zwei Dinge wieder ins Leben gebracht. Zum einen die Stille. Man braucht in so einer Lebenskrise keine Ratschläge von außen, aber man braucht eine Zeit des Innehaltens, der Stille. Und zum anderen: Man braucht jemanden, der einem sagt: Ich liebe dich, auch mit deinen Fehlern. Dieses Gegenüber hat man vielleicht als Kind in seiner Mutter, im Vater. Manchmal fehlt es aber. Und auch manche Erwachsene finden keinen, der das zu ihnen sagt. Wenn Seal von der Liebe singt, die von Gott kommt, vertraut er auf Gottes Liebe, die größer ist als menschliche Schuld und die Grenzen überschreitet, an die man oft stößt.

Er bekennt seinen Fehler, er bereut, was er getan hat. Er hat wohl erlebt, dass man sich nicht vor den Spiegel stellen kann und nur zu sich selbst sagen kann: "Es tut mir leid." Man muss schon den anderen um Entschuldigung bitten, den man verletzt hat. Mit der Vergebung ist es wie mit der Liebe. Denn was ja auch nicht ausreicht: sich vor einen Spiegel zu stellen und sich versichern: "Ich liebe Dich." Auch eine Liebeserklärung wirkt stärker, wenn jemand anderes sie einem macht. Die Liebe zwischen zweien ist ja wirklich eine Himmelsmacht. Im Anderen erkennen wir uns selbst. Nicht umsonst heißt es in der Bibel, wenn ein Mann und eine Frau sich lieben: Sie erkannten sich. Sich selbst annehmen, das kann man auch, weil wir uns in anderen erkennen. Wer sich auf die Sehnsucht oder die Verletzlichkeit einlässt, wird das auch bei sich selbst eher zulassen. Für mich handelt dieses Liebenslied von Seal von Gottesliebe und Menschenliebe zugleich. Er sagt das so: „Liebe ist von Gott. Sie kann helfen, mich selbst zu verstehen.“ Das Leben verläuft nicht ohne, dass man auch von sich selbst enttäuscht ist. Wir verletzen manchmal andere, und schaden uns selbst damit. Die Liebe hilft, zu bereuen und um Verzeihung zu bitten. Sie weist Wege aus Sackgassen. Auch wenn man am Boden liegt, wie von einem Gewittersturm nieder gehauen. Gottes Liebe ist unverbrüchlich. Sie kann einem Mut machen, wieder aufzustehen und einen Neuanfang versuchen. Und die Liebe eines anderen Menschen dann neu für sich gewinnen. Denn da hat Seal auf jeden Fall Recht: Nichts brauchen wir nötiger als - Liebe.

 

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