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Die Art, in der Welt zu sein
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Die Art, in der Welt zu sein

Michael Becker
Ein Beitrag von Michael Becker, Evangelischer Pfarrer, Kassel

Sein liebstes Wort ist „Warum?“ Günter fragt gerne. Als Lehrer will er die Welt verstehen. Um sie zu ändern. Vorgestern wieder. Er liest in der Zeitung (Spiegel-online 3. März 2017): Gräber geschändet auf einem jüdischen Friedhof in Amerika. Und: Immer mehr Juden haben Angst, dass die Verfolgung wieder losgeht. Schulen und Synagogen müssen von Polizisten geschützt werden. In Amerika und Deutschland und Osteuropa. Und Günter fragt sich: „Warum?“ Warum immer gegen die Juden? Was haben sie uns getan? So fragt er.
Und sagt dann: Wir halten sie nicht aus, glaube ich. Die Lehre der Juden. Sie haben Recht, sagt Günter. Recht mit ihrer Art, in der Welt zu sein. Einserseits stolz. Juden sind ja Erwählte. Uns gab Gott die Gebote, glauben sie. Uns bittet er, Gott zu lieben und die Nächsten. Gute Gebote sind das, sagt Günter. Richtige auch. Viele mögen es aber nicht, wenn andere Recht haben. Das könnte ein Grund sein, jüdisch Glaubende zu verachten. Noch wichtiger aber, sagt Günter: Es ist nicht nur Stolz. Es ist auch ihre Demut vor Gott. Grenzenlos manchmal. Wenn ihnen Gott nicht gefällt, laufen sie zu keinem anderen. Sie beten wieder zu ihm. Klagen laut. Und danken trotzdem. Für alles. Ihre Heimat heißt Himmel.
Sie leben nicht nur aufrecht, sagt Günter. Auch gebeugt. Jüdisch sein hat etwas Stolzes. Zugleich Demütiges. Erhobenes Haupt, Knie im Staub. Und Heimat allein im Himmel. So geht Leben; wahrhaftiges Leben, oder? sagt Günter. Das mögen wohl viele nicht. Sind lieber Herren als Knechte. Weil sie nicht gerne im Staub liegen vor jemandem. Dann will man die loswerden, die stolz sind und demütig. Wird man aber nicht. Seine Wurzeln wird man nicht los, auch Christen nicht. Besser ist, sie zu achten. Weil sie Gott achten, sagt Günter. Und wissen: Stolz macht nicht selig. Demut gehört auch dazu.

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