Das kann doch nicht so schwer sein
„Kein Wort zu viel; und keins zu schnell“. Das ist sein Fastenprogramm. Rudi ist Ende vierzig und manchmal genervt. Es wird zu viel geredet, meint er. Überall. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Gesprochen und geschrieben und gedruckt. Das tut den Wörtern nicht gut und dem Denken auch nicht. Da kommt ihm die Fastenzeit gerade Recht. Heute geht es los, vierzig Tage lang. Rudi hat sich gesagt: Bevor ich andere bitte, muss ich es selbst tun. Kein Wort zu viel; keins zu schnell.
Reden hilft. Aber vorher muss gedacht werden. Zum Denken braucht man Zeit. Das geht nicht hopplahopp. Reden ohne Denken ist schlimm. Ist nur Plappern. Das bekommt nicht. Es macht nervös und füllt die Luft mit Wörtern, die niemand braucht. Wörter ohne Denken braucht niemand. Im Gegenteil. Wenn sie da sind, schaden sie. Am liebsten würde man sie wieder einfangen, aber das geht nicht. Sind sie erstmal da, tun sie vielleicht weh. Andere ärgern sich, man selbst ärgert sich. Rudi weiß, was das heißt. Neulich hat er etwas gesagt, ohne zu denken. Aus einer Laune heraus. Es war aber falsch. Der andere stellt ihn zur Rede. Rudi redet sich ‘raus. Weiß aber: Es war ein Fehler. Das soll mir nicht mehr passieren, denkt Rudi. Erst Denken. Kein Wort zu viel, und keins zu schnell.
Das kann doch nicht so schwer sein, sagt er sich. Immer erstmal den Mund halten. Und außerdem: was wird denn aus all den Worten. Die sind doch nicht weg. Lösen sich nicht auf. Sind kein Schall und Rauch. Am Ende stimmt es noch. Und wir müssen wirklich Rechenschaft geben am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das wir reden. Um Himmels willen, denkt Rudi. Bloß nicht. Dann lieber Denken vor dem Reden. Kein Wort zu viel, keins zu schnell. Das kann doch nicht so schwer sein.