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Bild Gottes
Bild: Stefan Keller/Pixabay

Bild Gottes

Andrea Wöllenstein
Ein Beitrag von Andrea Wöllenstein, Evangelische Pfarrerin, Marburg
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Er wäre mir gar nicht aufgefallen in der Menge der Jugendlichen. Wenn er nicht dieses besondere T-Shirt angehabt hätte. Es war im letzten Sommer. Ich war in Taizé, diesem besonderen Ort in Burgund. Dort kommen Woche für Woche Tausende Jugendliche aus aller Welt zusammen, um gemeinsam zu singen, zu beten und sich auszutauschen. Ich sitze irgendwo draußen. Da kommt ein junger Mann auf mich zu. Auf seinem T-Shirt steht: „I am a selfie of God”. Der Junge ist mittelgroß, ein bisschen pummelig mit Pickeln im Gesicht, keine besonders beeindruckende Erscheinung. Jedenfalls nicht das, was man einen „jungen Gott“ nennen würde.

„I am a selfie of God“. Was mich amüsiert hat, ist theologisch durchaus richtig. Denn, wenn es in biblischer Zeit auch noch kein Smartphone gab, mit dem man ein Selfie machen konnte - der Gedanke kommt aus der Bibel. Da heißt es im ersten Kapitel: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er sie und schuf sie als Mann und als Frau“ Gen 1,27.

Jeder Mensch ist Gottes Ebenbild. Das ist die christliche Wurzel für die allgemeine Erklärung der Menschenwürde, die in unserem Grundgesetz verankert ist. Diese Würde geht unserem Leben und Tun voraus. Ich muss sie mir nicht erarbeiten oder verdienen. Egal ob arm oder reich, ob krank oder gesund. Ob ich körperlich unversehrt bin oder mit einer Behinderung lebe – ich bin ein Bild Gottes.

Was an uns ist Bild Gottes? Nicht die Augenfarbe, nicht die Haarlänge oder die Oberweite und schon gar nicht unsere Hautfarbe. Die Mystiker nennen es „das von Gott in uns“. Der Funke der Liebe. Gott hat uns geschaffen als Person. Als ein Individuum, als Mensch mit Leib und Seele. Wir sind ein Du, ein Gegenüber Gottes. Und jede von uns hat eine besondere Aufgabe. Eine jüdische Geschichte beschreibt das so:

Kurz vor seinem Tod sagte Rabbi Sussja: „In der kommenden Welt wird man mich nicht fragen: Warum bist du nicht Mose gewesen? Man wird mich auch nicht fragen: Warum bist du nicht David gewesen? Vielmehr wird man mich fragen: Warum bist du nicht Sussja gewesen?“ Das einbringen, was ich geben kann, wozu ich auf diese Welt gekommen bin. Die Liebe, die ich bin, leben. Meine Fragen. Meine Hoffnung. Zusammen weben wir ein vollkommenes Bild.

I am a Selfie of God - So etwas sollten wir eigentlich alle tragen. Nicht als äußeres Kleidungsstück, sondern als innere Haltung. So sollten wir uns sehen und so sollten wir einander ansehen. In dieser Würde und mit dieser gegenseitigen Wertschätzung. Als das, was wir sind: A Selfie of God.

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