Selbstliebe
Meine Freundin ist Schauspielerin. Sie hat große Rollen mit sehr bekannten Regisseuren gespielt. Aber seit sie Kinder hat, ist sie nur noch freiberuflich als „Gast“ bei Ensembles angestellt.
Feldarbeit statt Lampenfieber
Mit Corona kann nun erst mal niemand mehr Theater spielen. Nur, dass diejenigen, die nicht fest angestellt sind, einfach gar kein Geld mehr bekommen. Meine Freundin hat deshalb angefangen, auf einem Biohof zu arbeiten. „Das war eigentlich schon immer mein Traum“, sagt sie. Mit ihrer Hände Arbeit etwas Gesundes zum Essen zu schaffen. „Es erdet mich total. Vor allem gefällt mir, dass es auf dem Feld egal ist, wie ich aussehe, wie ich mich bewege, wie ich spreche. Ich habe keinen Stress mehr, dass ich vielleicht meinen Text vergessen haben könnte.“
Die landwirtschaftliche Arbeit erdet mich
Ich habe meine Freundin gefragt, ob sie nicht den Applaus vermisst – diese riesige Anerkennung von anderen. – „Ja“, hat sie gesagt, „ich weiß auch nicht, ob ich das nicht irgendwann einmal wiederhaben möchte. Aber im Moment ist es so toll, dass es nur darum geht, was ich selbst gut finde. Ichentdecke meine eigenen Werte. Ich fange an, mich selbst um meiner selbst willen zu lieben. Und das fühlt sich im Moment wie gesund werden an.“
Sich selbst erkennen und lieben lernen
Die Arbeit ihrer Hände ernährt Menschen. Und das sinnvolle körperliche Arbeiten macht ihr Freude. Und dann hat sie gesagt: „Wer weiß, vielleicht habe ich am Ende auch als Künstlerin etwas viel Wichtigeres zu geben als bisher“. Mir kommt es so vor, als lernt sie sich da in der Stille beim stundenlangen Hochbinden von Stangenbohnen selbst kennen. – Und lieben.
Und ich habe verstanden: Nur so, wie du dich selbst liebst, kann du auch deinen Nächsten lieben. Und um sich zu lieben, muss man sich erst einmal kennen.
