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Danke für die Taschenlampe
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Danke für die Taschenlampe

Andrea Wöllenstein
Ein Beitrag von Andrea Wöllenstein, Evangelische Pfarrerin, Marburg
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Das Telefon klingelt. Jemand möchte meinen Mann sprechen. „Hallo, hier ist Hubertus Müller. Ich möchte mich bei Ihnen für die Taschenlampe bedanken.“ „Hubertus Müller? Wer ist das denn? Dem soll ich eine Taschenlampe geschenkt haben?“ Aber da redet der andere schon weiter. „Ich muss Ihnen vielleicht ein bisschen auf die Sprünge helfen. Sie waren bei uns im Dorf Vikar und haben über uns im Haus gewohnt.“ Jetzt erinnert sich mein Mann. Es ist zwar schon über 30 Jahre her, aber er sieht sofort den kleinen Jungen vor sich, der gerne zu ihm hoch in die Wohnung gekommen ist.  „Wissen Sie“, sagt der nun, „ich saß neulich mit Freunden zusammen, und wir haben uns darüber unterhalten, an welche Menschen aus unserer Kindheit wir uns erinnern. Wer uns etwas bedeutet, wem wir etwas verdanken. Und da sind Sie mir eingefallen und die Taschenlampe. Leute wie Sie gab es bei uns im Dorf nicht viele“, sagt der kleine Junge von damals. „Sie hatten ganz viele Bücher. Sie kannten sich aus mit Vogelstimmen. Ich konnte immer zu Ihnen hoch kommen und Sie haben mir viel gezeigt und erklärt. Und dann, zu Weihnachten, haben Sie mir die Taschenlampe geschenkt. Kein Spielzeug, sondern eine richtige. Dafür möchte ich mich noch einmal bedanken.“
Heute ist er Anfang 40. Er wohnt längst nicht mehr in dem kleinen Dorf von damals. Hat studiert, war mehrere Jahre im Ausland  - aber den Mann, der ihm als kleinem Jungen eine Taschenlampe geschenkt hat, den hat er nicht vergessen. Und das will er ihm sagen. Mehr nicht. Nur „danke“ sagen.
Dass es das gibt! Jemand ruft an, nicht weil er etwas will, sondern einfach nur um „Danke“ zu sagen. Danke für etwas, was schon lange zurückliegt. Dass ein kleines Geschenk so eine nachhaltige Wirkung haben kann! Mein Mann hat sich sehr über diesen unerwarteten Dank gefreut, und ich bin sicher: Auch der Anrufer hatte seinen Spaß dabei.
Mich hat dieses Erlebnis angeregt darüber nachzudenken, wem ich etwas verdanke. Wer hat mich geprägt auf meinem Lebensweg? Welche Geschenke, welche Menschen waren für mich wichtig? Wem möchte ich noch einmal Danke sagen? Denn Danken macht froh – den, der dankt, und die, denen gedankt wird. Georg Pieper, Deutschlands wichtigster Krisenpsychologe, schreibt dazu: „Anderen Menschen, die uns geholfen haben, zu danken, lässt diese wachsen, so dass sie daraus Kraft ziehen und noch mehr helfen können. Dankbarkeit, die wir wegen unserer Taten ernten, gibt uns Kraft und macht uns seelisch stark.“ (Wenn unsere Welt aus den Fugen gerät; S. 278)  

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