Ihr Suchbegriff
Daheimsein wo man mitmacht
Bildquelle Pixabay

Daheimsein wo man mitmacht

Dr. Ulf Häbel
Ein Beitrag von Dr. Ulf Häbel, Evangelischer Pfarrer, Laubach-Freienseen

Mit meinen früheren Schulkameraden habe ich die Stadt Limburg an der Lahn besucht. Einmal im Jahr treffen wir uns, diejenigen die noch können oder es wollen. Wir fahren irgendwo hin, wo es etwas zu besichtigen oder zu erleben gibt. Es ist sozusagen eine Klassenfahrt. In Limburg haben wir die wunderschön restaurierte Altstadt besichtigt; ein freundlicher Stadtführer hat uns begleitet und vieles erklärt.

Bei unserem Rundgang bleiben wir immer wieder auf kleinen Plätzen in der Stadt stehen. Da gibt es den Kornmarkt, auf dem die Leute früher Getreide verkauft haben. Es gibt den Fischmarkt, auf dem einst die in der Lahn gefangen Fische angeboten wurden. Auf dem Rossmarkt waren die Pferdezüchter zugange, auf dem Blumenmarkt die Gärtnerinnen.

Das Leben spielte sich zum großen Teil auf diesen Märkten ab. Da trafen sich Leute aus der Stadt und der Umgebung. Und je nachdem, was man einkaufen oder verkaufen wollte, suchte man den passenden Markt auf und wusste auch, wen man da trifft. Diese kleinen Märkte im mittelalterlichen Städten, die jeweils ihr besonderes Angebot hatten, sind inzwischen den Supermärkten gewichen, in denen es immer alles im Angebot gibt.

Mit dem Verschwinden der kleinen Märkte und ihrem Angebot ist noch etwas verschwunden: die alltägliche Begegnung der Menschen, der Kontakt zueinander und das Geschwätz über die anderen. Heute beklagen wir die Kontaktarmut und Vereinsamung der Menschen. Ein Grund liegt auch darin, dass es die öffentlichen Plätze, an denen man sich trifft – eben solche Märkte mitten im Ort – kaum noch gibt. Doch mein Eindruck ist: Die Märkte kommen zurück. Vielerorts gibt es inzwischen wöchentlich Bauernmärkte, und manchmal gibt es da auch mehr als nur frische Lebensmittel aus der Region. Da spielt einer Schifferklavier und singt Volkslieder dazu oder ein Stand der Landfrauen wirbt für das Leben auf dem Land.

In dem Dorf Freienseen im Vogelsberg, in dem ich seit siebenundzwanzig Jahren lebe, ist heute Frühjahrsmarkt. Früher gab es dreimal im Jahr so einen Markt. Im Frühjahr kauften die Bauern Ferkel und andere Jungtiere, die sie das Jahr über aufgezogen oder gemästet haben. Nach der Getreideernte im Juli war der Markt ein fröhliches Sommerfest. Und dann gab es den Wintermarkt im Dezember. Da deckte man sich mit all den Dingen ein, die man brauchte, um über den Winter zu kommen.

Heute ist bei uns Frühjahrsmarkt. Da kommen wenig auswärtige Händler. Den Markt betreiben wir selbst – Menschen aus dem Dorf, Vereine und Gruppen, Kindergarten und Schule, Künstler und Musiker. Jeder kann zeigen, was er kann – handwerklich, künstlerisch, kulinarisch. Wir haben unsere Freude daran, dass zum Markt die Gassen voller Buden sind, vor denen sich die Menschen begegnen und miteinander schwätzen.

Es ist nicht gut, wenn sich Menschen in ihre vier Wände zurückziehen und dort vereinsamen. Es ist besser, mal so einen Markt aufzusuchen, mit anderen in Kontakt zu kommen und zu erzählen. Es ist nicht gut, wenn der Mensch alleine ist, heißt es auch in einer der Schöpfungsgeschichten der Bibel. Das spüren wir in unserem Dorf. Deshalb treffen wir uns und gestalten das Leben gemeinsam.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren