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Vor Gott sind alle gleich
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Vor Gott sind alle gleich

Andrea Seeger
Ein Beitrag von Andrea Seeger, Evangelische Theologin
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Die Friedrich-Ebert-Stiftung untersucht seit vielen Jahren, welche politischen Einstellungen Menschen in der Mitte der Gesellschaft haben. Die aktuelle Studie ist
gerade herausgekommen. Fazit: Die meisten der 1750 befragten Erwachsenen fühlen sich der Mitte zugehörig. Sie halten den Rechtsextremismus für die größte Gefahr. Allerdings weichen klare demokratische Grundhaltungen zunehmend auf. Immer mehr Menschen äußern sich indifferent, statt sich deutlich gegen menschenverachtende Äußerungen zu positionieren. Eine gefährliche Tendenz.

Würde und Gleichheit aller Menschen stehen für viele an erster Stelle

Erst mal das Erfreuliche: Für 88 Prozent der Befragten stehen die Würde und Gleichheit aller Menschen in einer demokratischen Gesellschaft an erster Stelle. Die weitaus meisten beschreiben sich als überzeugte Demokratinnen und Demokraten und wünschen sich mehr Engagement für eine vielfältigere und offene Gesellschaft. Aber dann kommt es. Fast ein Fünftel der Befragten stimmt der Aussage zu: „Es gibt wertvolles und unwertes Leben“.

"Es gibt wertvolles und unwertes Leben"

Unwertes Leben. Helmuthchen hätte dazugehört. Er war der Bruder meiner Mutter, Jahrgang 1928. Helmuthchen hatte das Down Syndrom und starb im Alter von zehn Jahren an einem Herzfehler. Meine Mutter, nein, die ganze Familie, hat diesen kleinen Kerl sehr geliebt. „Er war so ein netter Junge, immer gut gelaunt und freundlich.“ Meine Mutter erzählte oft von ihm.

Unwertes Leben: Ein Begriff aus der Weimarer Republik

Unwertes Leben: Dieser Begriff stammt aus der Weimarer Republik. Der Psychiater Alfred Hoche und der Strafrechtler Karl Binding haben 1920 gemeinsam die Broschüre „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ herausgegeben.  Die Nationalsozialisten haben das für ihre kranke Ideologie weiterentwickelt. Helmuthchen hätte die Nazis nicht überlebt.

Mehr als 70 Jahre nach dieser Schreckensherrschaft sollte dieser Begriff nicht nur aus dem Sprachgebrauch, sondern auch aus dem Denken verschwunden sein.

Antidemokratische und rechtsextreme Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft

Er ist es nicht. Die Rede ist hier nicht vom rechtsextremen Rand, sondern von der Mitte der Gesellschaft. Antidemokratische und rechtsextreme Einstellungen finden sich hier in den Haltungen, sagen die Forscherinnen und Forscher. Immer mehr Menschen äußern sich indifferent, widersprüchlich, demokratiefeindlich, entgegen allen christlichen Werten. Aber vor Gott sind alle Menschen gleich, heißt es in der Bibel. Da gibt es kein Wenn und kein Aber.

Genau hinhören und klare Position beziehen

Was folgt aus dem Ergebnis der Studie? Für mich: Genau hinhören, öfter klar Position beziehen und dem „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen“ entschieden entgegentreten, auch und gerade, wenn es aus dem eigenen Umfeld kommt

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