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Die Rettungsschwimmerin
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Die Rettungsschwimmerin

Carmen Jelinek
Ein Beitrag von Carmen Jelinek, Evangelische Dekanin, Kirchenkreis Kaufungen

Das Schlauchboot war für 6 Personen gedacht. Doch es saßen zwanzig darin. Flüchtlinge, die übers Mittelmeer nach Europa wollten. An Bord waren auch die Schwestern Yusra und Sarah Mardini aus Damaskus, die vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflohen waren. Sie wollten von der türkischen Küste zur Insel Lesbos gelangen.

Schon nach einer halben Stunde fiel der Motor aus. Das Boot treibt auf dem offenen Meer. Irgendwann wird den Menschen Essen und Trinken ausgehen. Oder das Schlauchboot wird vorher so viel Luft verlieren, dass es die Menschen nicht mehr tragen kann. Oder ein Sturm spült alle von Bord. Was tun? Nicht auszudenken, wenn Panik ausbricht und alle von Bord springen oder wenn vielleicht jemand meint: Nicht alle können an Bord bleiben, sonst kommt keiner ans Ziel.

Die Menschen in Seenot halten zusammen. Die beiden Schwestern Yusra und Sarah und ein Mann können als einzige schwimmen. Sie fragen nicht lange: Schaffen wir das? Sie kommen auch nicht auf die Idee, allein los zu schwimmen und die anderem ihrem Schicksal zu überlassen. Sie springen ins Wasser und gemeinsam schieben und ziehen sie das Boot mit den 17 anderen durch das Mittelmeer. Viele Stunden lang. Völlig erschöpft, aber sicher erreichen sie die Insel. 

Mich fasziniert, wie drei Menschen ihre ganzen Kräfte und Fähigkeiten mobilisieren, um zu helfen. Ja, Yusra stellte schon vor vier Jahren, als sie 14 war, den syrischen Landesrekord über 400 Meter Freistil auf. Aber das hier ist eine andere Herausforderung. Mich beeindruckt diese junge Frau mit ihrem wachen Gesicht und der ruhigen Stimme, die sagt: “Es wäre eine Schande gewesen, wenn wir da nicht geholfen hätten.“

Inzwischen sind die Schwestern Yusra und Sarah nach Deutschland gekommen und leben in Berlin.

Der Übersetzer in ihrer Flüchtlingsunterkunft brachte Yusra in Kontakt mit den Wasserfreunden Spandau 04. Sie hat einen tollen Trainer, der sie in sein Team nahm. Inzwischen ist sie reif für Olympia.

Ich freue mich, dass eine solch charakterstarke, sportliche Frau, bei den Olympischen Spielen mitmachen kann. Ihre Schwester hat sich auf der Flucht leider eine Schulter so verletzt, dass sie nun nicht mehr schwimmen kann. Aber auch sie wird ihren Platz finden, und ich bin froh, dass die beiden Christinnen in unserem Land angekommen sind.

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