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Sehnsucht nach Weite und Freiheit
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Sehnsucht nach Weite und Freiheit

Dr. Ulf Häbel
Ein Beitrag von Dr. Ulf Häbel, Evangelischer Pfarrer, Laubach-Freienseen

Unsere zweieinhalbjährige Enkeltochter war bei uns zu Besuch. Bevor ich sie abends ins Bett gebracht habe, wollte sie noch einmal raus in den Garten, in dem sie am Tag gespielt hatte.

Ich habe sie in ihrem Schlafanzug durch die Scheune getragen bis in den Garten, der dahinter liegt. Es war schon dunkel und der Mond stand am Himmel. Es war Vollmond. Faszinierend – nicht nur für mein Enkelkind, auch für mich. Das Mondlicht vom Himmel strahlte zu uns auf die Erde. Es fiel durch den alten, knorrigen Apfelbaum und malte seine Äste in Schatten auf den Boden.

Ich habe dann der Enkelin auf meinem Arm das bekannte Lied von Mathias Claudius vorgesungen: Der Mond ist aufgegangen. Da sagte sie auf einmal: „Opa, ich will auf den Mond, fahr mich dahin; jetzt.“ Das ging natürlich nicht. Ich habe versucht, das dem Kind zu erklären.

Aber diese kindliche Sehnsucht, zum Mond zu gelangen, hat mich berührt. Das geht wohl vielen Menschen so, denn in Liedern und Gedichten, in Erzählungen und Geschichten werden der Mond am Himmel bei Nacht oder die leuchtende Sonne am Tag als Sinnbilder der Hoffnung beschrieben, genauso die Sterne.

Man muss als Mensch, der zu dieser Erde gehört, auf ihr lebt, ab und zu aufblicken zum Himmel, dem weiten und offenen Horizont. Wenn ich nur auf die Erde schaue, auf den Ort, an dem ich gerade bin und arbeite, dnn grenze ich mich selber ein auf das Alltägliche. Und dann verliere ich die Weite des Horizontes, die Freiheit, die der Himmel verspricht.

„Opa, ich will zum Mond“, hat mein Enkelkind zu mir gesagt, bevor es dann auf meinem Arm eingeschlafen ist. Diese kindliche Sehnsucht nach Weite und Freiheit ist in mir wach geblieben. Das Leben ist nicht nur der Ort auf dieser Erde, auf dem ich gerade bin; es ist auch immer die Hoffnung darüber hinaus zu gelangen. Zu allen Zeiten haben Menschen die Gestirne am Himmel als Sinnbilder ihrer Hoffnung gesehen. In den großen alten Mythen von der Weltentstehung wird das so beschrieben.

Menschen blicken auf zum Himmel und spüren, dass sie nicht nur zu der mühsamen Erde gehören. In einer der Schöpfungsgeschichten der Bibel wird das erzählt: Da schuf Gott die Erde mit allem, was zum Leben darauf gehört – Wasser und Land, Pflanzen, Tiere und Menschen. An den Himmel darüber setzte er die Gestirne, die Sonne als Licht für den Tag und den Mond als Licht der Nacht und die Sterne, Hoffnungsschimmer in der Dunkelheit.

Man muss ab und zu den Blick von der begrenzten Erde zum weiten Himmel erheben, um zu erkennen, dass Leben mehr ist als im alltäglichen irdischen Dasein gefangen zu sein. „Opa, ich will zum Mond“, hat mein Enkelchen gesagt. Es hat die uralte menschliche Sehnsucht nach Weite und Freiheit ausgedrückt. Diese Sehnsucht darf man nicht einschlafen lassen.

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