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Nicht nur seufzen, sondern was ändern
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Nicht nur seufzen, sondern was ändern

Claudia Rudolff
Ein Beitrag von Claudia Rudolff, Rundfunkpfarrerin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Kassel
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Ein Mann sitzt in einem Zug. Immer, wenn der Zug an einem Bahnhof hält, schaut er aus dem Fenster und seufzt. Nach drei Haltestellen fragen ihn Mitfahrende: „Warum seufzen Sie denn dauernd?“ Der Mann antwortet: „Ich sitze im falschen Zug und fahre in die falsche Richtung.“ „Warum steigen Sie denn dann nicht aus?“ „Ach“, sagt der Mann, „irgendwie ist es auch gemütlich hier.“

Aussteigen oder weitermachen, wie bisher

Ich mag diese Geschichte, weil ich mich in ihr wiedererkenne. Manchmal sitze ich auch im falschen Zug. Ich sehne mich danach, aus eingefahrenen Bahnen auszusteigen. Doch das fordert Kraft und einen starken Willen. Deshalb kann ich den Mann verstehen, der lieber seufzt und sitzen bleibt, statt sich aufzuraffen und auszusteigen. Ich belasse es auch oft beim Seufzen über die vielen Anforderungen und mache weiter wie bisher.

Ein schwieriges Gespräch ist nicht anstrengender, als weiter nichts zu ändern

Oder eine Freundin. Sie sagt ihrem alten Vater nicht: „Du, ich kann dich nicht jeden Tag besuchen und auch noch alle Wege für Dich erledigen. Ich habe ja keine Minute mehr für mich.“ Sie scheut das Gespräch. Sie hat Angst, dass er es ihr übelnimmt. Einerseits genießt sie ja das Zusammensein mit ihm. Andererseits geht es über ihre Kräfte. Deshalb lässt sie alles, so wie es ist. Dabei ist in Wirklichkeit das schwierige Gespräch gar nicht anstrengender, als weiter  so zu leben.

Die Mühe lohnt sich, Veränderungen anzustreben

Wäre ich in dieser Situation, wünsche ich mir Menschen an meiner Seite, die mir helfen, auszusteigen: Mich ermutigen, die Auseinandersetzung nicht zu scheuen. Nur so verändert sich die Situation, dass alle damit leben können. Manchmal gelingt es mir aber auch, in mich hineinzuhören und mir einen Ruck zu geben: Los, bleib nicht sitzen! Tu was! Ich bin überzeugt: Die Mühe lohnt sich, mich nicht nur nach Veränderungen zu sehnen, sondern sie aktiv anzugehen.

Mein Glaube an Gott bestärkt mich dabei. Denn zum christlichen Glauben gehört die Gewissheit: Es ist nie zu spät auszusteigen. Gott gibt die Kraft dazu, wenn ich ihn darum bitte.

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