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Fröhliche Bescheidenheit
Bild: Pixabay

Fröhliche Bescheidenheit

Christoph Schäfer
Ein Beitrag von Christoph Schäfer, Katholischer Religionslehrer, Rüsselsheim
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Heute wird in den USA der „Sei bescheiden-Tag“ gefeiert. Als ich das gehört hab, hab ich gedacht: „Bescheidenheit“ hat leider ein Imageproblem. Zumindest in meinem Umfeld spielt das Thema keine Rolle. Niemand verkündet: „Dieses Jahr in der Fastenzeit hab ich mir mal vorgenommen: ich will bescheidener werden!“ Ich glaub: „Bescheidenheit“ klingt erst einmal zu freudlos. Nach Strenge und Zwang. 

Er hat beides ausgestrahlt

Als Christ ist mir Bescheidenheit aber wichtig: Ich möchte lernen, meine tausend Wünsche nicht zu ernst zu nehmen. Um klarer zu sehen, wie es den Menschen um mich herum geht. Deshalb bin ich froh, dass ich im letzten Sommer in den Alpen einem christlichen Einsiedler begegnet bin. Er hat beides ausgestrahlt: Fröhlichkeit und Bescheidenheit. 

Alois hab ich auf einer Wanderung getroffen: Er hat damals für eine Sommersaison als Eremit gelebt. Als offizieller Angestellter der Gemeinde Saalfelden. In einer einsamen Felswohnung hoch über dem Ort. Ohne jeden Komfort. Alois hat eine Kapelle betreut und stand als Ansprechpartner für alle zur Verfügung, die das wollten. 

Das Leben nehmen und nutzen, wie es kommt

Ich hab ihn sofort sympathisch gefunden: ein älterer Mann mit einem fröhlichen Lächeln. Er hat gleich das „Du“ angeboten und ein Gespräch über Gott und die Welt angefangen. Und über die Frage, warum man einen so extrem bescheidenen Lebensstil wählt. Das hat Alois ganz anschaulich beantwortet: Jahrzehntelang hatte er als Landwirt gearbeitet. Irgendwann hat er gespürt: Sein Leben muss für eine Weile eine neue Wendung nehmen. Sein Projekt „Einsiedelei auf Zeit“ hatte er dann mit seiner Frau und seinen erwachsenen Kindern so offen besprochen, dass es von allen mitgetragen wurde. Auch nach Zukunftsplänen hab ich Alois befragt. Und er hat beim Antworten beeindruckend viel Gottvertrauen ausgestrahlt: Er hat einfach erklärt, dass er das Leben nehmen und nutzen möchte, wie es kommt. 

„Brauche ich das wirklich?“

Seit damals hab ich vor Augen: Fröhlichkeit und Bescheidenheit passen zusammen. Und auch wenn ich mich nicht zum Eremiten berufen fühle: Mit Alois als Vorbild möchte ich in meinem Alltag Bescheidenheit trainieren. Zum Beispiel beim Shoppen öfter denken „Brauche ich das wirklich?“ Und in der Freizeit nicht jedes Event „mitnehmen“, um bloß nichts zu verpassen. Ich bin sicher: Wenn ich bescheidener lebe, leidet meine Fröhlichkeit nicht. Sondern wird vielleicht sogar größer.

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