Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Remigration - das Unwort des Jahres
pixabay/PlanetMallika

Remigration - das Unwort des Jahres

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer, Kassel
Beitrag anhören:

Moderation: Alljährlich kürt eine ehrenamtliche Jury das Unwort des Jahres. Die Journalisten und Germanisten wollen damit die Aufmerksamkeit auf Begriffe lenken, die diskriminieren oder sogar manipulieren. In dieser Woche hat die Jury in Marburg den Ausdruck „Remigration“ zum Unwort erklärt. Pfarrer Matthias Viertel erklärt in seinem hr1 Zuspruch, warum nicht nur Christen dabei besonders hellhörig werden sollten:

Die erste Emigration liegt weit zurück. Sie steht in der Bibel, gleich auf den ersten Seiten: da erfahren wir, wie Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben werden, und zwar mit den Worten: „ruhelos sollst du fortan sein, ein Flüchtling auf Erden!“ (1Mos 4,12) Danach folgen weitere Fluchtgeschichten: Abraham machte sich auf den Weg in ein neues Land. Und Moses führt gleich ein ganzes Volk aus Ägypten. Sogar Joseph, Maria und das Jesuskind müssen fliehen.

Ohne Migrationsgeschichten kein christlicher Glaube

Die Bibel besteht zu großen Teilen aus Geschichten um Flucht und Vertreibung. Sie alle zeigen, dass Gott jenen zur Seite steht, die vor Gewalt fliehen und sich auf den Weg in ein neues Leben machen. Der christliche Glaube ist ohne diese Migrationsgeschichten nicht vorstellbar.

Die Wahl zum Unwort hat einen aktuellen Hintergrund

Und nun wird auf einmal von Remigration geredet. Gemeint ist damit die Umkehr der Emigration, die Rückführung, so als könne man Geschichte einfach zurückdrehen.

Die Wahl der Remigration zum Unwort hat einen Hintergrund: Gerade haben Journalisten eine Verschwörung von Rechtsradikalen aufgedeckt, die eine systematische Deportation planten. Menschen mit Migrationsgeschichte sollen danach abgeschoben werden, egal wohin, Hauptsache weg.

Hinter "Remigration" versteckt sich ein menschenverachtender Gedanke

Das Wort Remigration ist ein Unwort, weil es von Menschen benutzt wird, die demokratische Grundrechte verachten und deshalb für die Demokratie gefährlich sind. Ein Unwort aber auch, weil damit Unmenschliches in einen scheinbar harmlosen Begriff gekleidet wird. Menschen deportieren und an einen fremden Ort verschleppen ist ein Unrecht, egal ob das wegen der Hautfarbe, der Herkunft oder des Glaubens geschieht. Das Wort Remigration soll über diese menschenverachtende Denkweise den Mantel der Unschuld hängen so, als ginge es nicht um Verbrechen, sondern um eine gesellschaftsfähige Maßnahme.

Es ist gut, dass Menschen dagegen aufstehen

Das ist es aber nicht. Deshalb ist es gut, dass in vielen Städten heute Menschen demonstrieren: für die Demokratie, für die Menschenrechte und vielleicht auch dafür, den christlichen Glauben mit seinen Migrationsgeschichten ernst zu nehmen.

 

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren