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Anzieh-Eck als rettende Idee
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Anzieh-Eck als rettende Idee

Andrea Seeger
Ein Beitrag von Andrea Seeger, Evangelische Theologin
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Zu Beginn eines jeden Jahres nehme ich mir vor auszumisten, endlich Platz zu schaffen. Ich stehe vor dem Kleiderschrank und stelle fest: Er ist viel zu voll. Keine neue Erkenntnis. Also ran ans Werk.

An Kleidungsstücken können auch Erinnerungen hängen

Als erstes bekomme ich ein Jackett mit Blumen zu fassen. Ziehe ich selten an, weil es ein bisschen zu fein für den Alltag ist – könnte also weg. Aber dieses Jackett hat mir mein Mann mal zu Weihnachten geschenkt. Er hatte den Stoff besorgt, einen Entwurf gemacht und ist damit zur Schneiderin marschiert. Ich entscheide: Das Teil bleibt hängen.

Nächstes Teil: eine grüne Hose. Sie ist in einwandfreiem Zustand, nur ein bisschen zu weit geworden. Ich weiß noch, wo ich sie gekauft habe: In Portugal in einem kleinen Laden. Das war ein toller Urlaub. Meine Gedanken schweifen ab. Vielleicht gebe ich sie doch besser der Änderungsschneiderin.

Erst mal Kleidung ohne Erinnerungsgefühl aussortieren

Ich versuche es erstmal mit Kleidungsstücken ohne Erinnerungsgefühl. Die gibt es ja auch. Am Ende der Aktion, nach gefühlt zwei Stunden Plagerei, sind es neun Teile geworden, die ich aussortiere.

Das reicht nicht. Ich weiß, es gibt den guten Ratschlag: Was man über einen längeren Zeitraum nicht getragen hat, kann weg. Der funktioniert bei mir aber nicht. Ich hole Sachen hervor, die fünf oder zehn Jahre kein Tageslicht gesehen haben, und erkläre sie zum neuen Lieblingsstück.

Vielleicht machen die Sachen ja anderen eine Freude

Da fällt mir ein: Ich war lange nicht im Anzieheck. Das ist ein schöner Second-Hand-Laden der Diakonie in Oberursel, in dem Kundinnen und Kunden einen Euro für jedes Teil bezahlen. Vielleicht passt die grüne Hose einer Kundin dort auf Anhieb und sie freut sich genauso über das gute Stück wie ich damals in Portugal. Der Gedanke dran gibt mir Schwung. Auf geht’s!

Schuhe, unbenutzt, landen in dem großen grauen Sack, dazu Blusen, die ich nicht mag, Mäntel und Jacken, selten getragen, Fehlkauf, passt gar nicht zu mir. Aber vielleicht zu anderen.

Nach 20 Minuten ist der Sack bis oben hin voll und der Schrank ein bisschen leerer. Ein gutes Gefühl ist das, ein sehr gutes sogar mit der Aussicht: In Zukunft haben andere daran Freude.

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