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Nordsee im November
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Nordsee im November

Judith Vonderau
Ein Beitrag von Judith Vonderau, Katholische Autorin bei "kirche im hr", Bad Orb
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Neulich hat mir eine Freundin von ihrem Urlaub am Meer vorgeschwärmt. Das hat mir richtig gut gefallen, schließlich mag ich das Meer auch sehr gerne. Meine Urlaube führen mich auch immer wieder an den Strand und zu den Wellen.

Was mich an ihrer Erzählung überrascht hat: Sie war im November am Meer, genauer gesagt an der Nordsee. Die Vorstellung hat mir dann schon weniger gefallen. Ich dachte sofort an ungemütliches nass-kaltes Wetter. Ein Urlaub, in dem sie wahrscheinlich nur in ihrer Unterkunft saß und kaum wirklich am Meer gewesen ist. Ein Urlaub, von dem sie wahrscheinlich auch noch eine saftige Erkältung mit nach Hause gebracht hat.

Doch damit lag ich völlig falsch. Meine Freundin schwärmte mir vor, wie schön es gewesen sei, ein so beliebtes Urlaubsziel ganz für sich zu haben. Schließlich hatten sich die anderen Urlauber die sonnige Jahreszeit für ihren Besuch am Meer ausgesucht. Und jetzt war dort nichts los und der weite Strand gehörte nur ihr. Sie beschrieb mir ihre langen Strandspaziergänge und wie beeindruckt sie war, das Meer und die Küste von einer ganz anderen Seite zu erleben. Sie erzählte vom Schauspiel aus Wind, Wolken und Wellen. Von Wetterphänomenen und einem besonderen Licht, das am Strand herrschte. Und schließlich davon, wie unglaublich gemütlich es ist, sich nach den Erlebnissen draußen ganz gemütlichen drinnen im Warmen einzukuscheln und eine Tasse heißen Tee zu trinken.

Der Sehnsuchtsort Meer ist für viele nur dann ein Sehnsuchtsort, wenn das Wetter zu ihren Vorstellungen passt. Und für so viele Menschen ist es scheinbar klar und völlig selbstverständlich, dass ein Nordsee-Urlaub nur im Sommer ein gelungener Urlaub sein kann.

Mut haben, das Verborgene zu entdecken

Mich hat dieser Reisebericht nachdenklich gemacht. Da gibt es also etwas, das mir völlig verborgen bleibt, weil ich es vorschnell als unpassend, ungenügend und minderwertig abstempele. Und dann erfahre ich, dass in diesem scheinbaren Makel ein wahrer Schatz verborgen ist. Dass gerade diese Andersartigkeit so reizvoll ist. Dass eine scheinbare Minderwertigkeit zur Bereicherung werden kann.

Ich glaube, dass ich sehr oft die Dinge schon bewerte, ohne sie richtig angeschaut zu haben. Und dadurch geht mir so viel verloren, was mich eigentlich bereichern könnte. Der Reisebericht meiner Freundin erinnert mich daran, genauer hinzuschauen, um mich beschenken zu lassen.

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