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Narciso, der zwitschernde Vogel auf dem Pilgerweg
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Narciso, der zwitschernde Vogel auf dem Pilgerweg

Sabine Müller-Langsdorf
Ein Beitrag von Sabine Müller-Langsdorf, Evangelische Pfarrerin, Zentrum Oekumene, Frankfurt
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Im Frühjahr bin ich gepilgert, auf dem Camino del Norte in Spanien. Es ist einer der Alternativen zum Jakobsweg und führt auch nach Santiago. Auf und ab, bei Sonne und im Regen. Eine gute Erfahrung war das. Bewegung im eigenen Rhythmus, Wegkommen aus dem Alltagstrott, den Kopf durchpusten lassen vom frischen Atlantikwind. Schön und überraschend waren die Begegnungen auf dem Weg. Es heißt ja schon in der Bibel, dass man in zufälligen Begegnungen manchmal einem Engel oder gar Christus selbst begegnet. So ging es mir beim Pilgern.

Ein guter Rat

An einem warmen Tag kämpfte ich mich bei brütender Mittagssonne langsam einen Berg hinauf. Hinter mir kam jemand leichten Fußes und ein Lied pfeifend immer näher. Ohne Rucksack, mit flinken Augen und im Vorbeilaufen freundlich grüßend zog ein drahtiger Mann an mir vorbei. Ein bisschen neidisch war ich auf so viel Kondition und gute Laune. Als ich mit rotem Kopf und völlig verschwitzt oben im Dorf ankam, wartete der Mann schon auf mich, um mich auf einen Trinkbrunnen um die Ecke hinzuweisen. Und sagte: „Und wenn du dann weitergehst, dann nimm nicht den Weg über den Berg. Ist viel zu umständlich, geh die Straße lang.“ Dann winkte er und zog seinen Weg weiter.

Ich war leicht verstimmt über so viel Umsicht, weil ich erst mal an das Bild dachte, dass ich diesem Mann wohl geboten haben muss: die kommt den Berg nicht hoch, braucht unbedingt Wasser, der guten Frau muss man den leichten Weg empfehlen. Dann habe ich aber die Tipps befolgt, trank am Wasserbrunnen und zog meine Straße wie empfohlen bergab.

Eine überraschende Begegnung

Entgegen kam mir dort ein zweiter Mann, ein Radfahrer. Der fuhr direkt auf mich zu, stoppte kurz vor mir, strahlte mich an und sagte: „Ein Vogel hat mir gezwitschert, dass hier eine freundliche Frau entlangkommt, vermutlich aus Deutschland.“ Ich dachte, der kann mich nicht meinen. Gerade noch war ich verstimmt und grantig. Und was soll das Gerede vom Vogel, der da gezwitschert hat?

Dann ist es mir gedämmert und ich musste lachen. Der zwitschernde Vogel konnte nur der leichtfüßig pfeifende und umsichtige Pilgerfreund gewesen sein. „Ja“ sagte der Fahrradfahrer. „Das ist mein Freund Narciso. Er rennt immer die Berge rauf und runter und plaudert mit den Pilgern. Er hat von Ihnen erzählt. Kommen Sie wirklich aus Deutschland? Ich liebe die Sprache!“ Und dann unterhielten wir uns eine ganze Weile auf deutsch: übers Radfahren und Wandern bergauf und bergab, über Freunde und Freundschaft und wie gut es tut, voneinander zu wissen.

Auch Jesus hat Menschen einen guten Weg gewiesen

Abends in der Herberge habe ich Narciso in Gedanken Abbitte geleistet für meine rollenden Augen ihm gegenüber. Er war einfach da, hat mich in keiner Weise so negativ gesehen wie ich mich selbst, hat mir Wasser, einen guten Weg und ein gutes Gespräch gebracht. Wie Jesus, der Menschen Wasser gab, ihnen freundlich einen Spiegel vorhalten konnte und ihnen einen guten Weg wies.

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