Schweigen ist nicht immer gut
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Das gilt im Radio sicher nicht. Und der Satz passt auch sonst oft nicht. Es gibt sehr viele Arten des Schweigens – positiv wie negativ.
Schweigen als Strafe
Der Schriftsteller Peter Härtling äußert sich über die Wirkung des Schweigens in seinem Buch ‚Nachgetragene Liebe‘. Darin erinnert er sich an seinen Vater und beschreibt, wie ihm der Vater durch Schweigen Liebe entzogen hat, für geringfügiges Fehlverhalten. Er habe mit ihm wegen dieser Mini-Vergehen manchmal bis zu einer Woche nicht gesprochen. Der Vater hat ihn, wie Härtling das nennt, totgeschwiegen. Für ihn sei das eine unglaublich traumatische Erfahrung gewesen.
Schweigen hat Macht
Schweigen kann als Zeichen von Macht wirken. Etwas wird nicht mitgeteilt oder verhandelt. Täter schweigen aus Eigeninteresse, Opfer schweigen auch – oft aus Scham. Nach der Nazizeit war Schweigen zunächst die dominante Form der Vergangenheitsbewältigung in der Bundesrepublik. Bis die 68er-Jugend dagegen revoltierte und erfahren wollte, was geschehen war. Damit begann die Aufarbeitung der Nazi-Zeit – endlich.
Schweigen als spirituelle Quelle
Und doch – es gibt auch das gute Schweigen, zum Beispiel das spirituelle Schweigen. Ein Freund meldet sich regelmäßig zur Schweigewoche im Kloster an. Er sagt, am Anfang fällt es ihm jedes Mal schwer. Da ist keine Ablenkung mehr, die eigene innere Stimme wird lauter. Doch dann, erklärt er mir, kommt er mehr und mehr zur Ruhe. Er nimmt intensiver wahr, wird feinfühliger. Dieses Schweigen, findet er, bringt bei ihm Körper, Seele und Geist wieder in Einklang.
Gemeinsam schweigen
Ich finde es besonders schön, wenn ich mit jemandem zusammen schweigen kann. Keineswegs, weil wir uns nichts zu sagen haben oder wir uns gleichgültig sind. Sondern weil wir so vertraut miteinander sind, dass wir nicht reden müssen, unseren eigenen Gedanken nachhängen können und uns dabei trotzdem beide wohl fühlen. Solches Schweigen – das ist wirklich Gold.