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Hoffnungszeichen Hornveilchen
© Peter Kristen

Hoffnungszeichen Hornveilchen

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt
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Als ich die Treppe gekehrt habe, samstags, wie es sich auf dem Dorf gehört, hab‘ ich es zum ersten Mal gesehen. Ein kleines Hornveilchen hat seine drei weiß-blauen Blättchen auf der gepflasterten Treppe zu unserer Haustür ausgebreitet. Das vierte, gelbe Blättchen leuchtet, als hätte es dieFarbe der Sonne angenommen. Kaum einen Zentimeter groß stand es einfach da.

Ein Ort der Hoffnung zwischen Pflastersteinen

Obwohl die Pflastersteine gut eingepasst sind und die Fugen mit Mörtel verfugt. Trotzdem ist von irgendwoher ein Samenkorn in die schmalen Ritzen zwischen den Steinen geraten. Regen ist auf die Samen gefallen, und das hat in einer hoffnungslos ungünstigen Situation wundersame Folgen gehabt.

Dass das Veilchen überlebt hat und sogar blühen konnte. Das Veilchen hatte keine Chance zwischen den kalten Steinen, aber es hat sie genutzt.

Niemand hat das Veilchen zertreten

Wie üblich waren alle die Treppenstufen zur Haustür hinauf und wieder hinuntergegangen: Wir, die im Haus wohnen, die Briefträgerin, die Nachbarin, der ein Ei fehlte, das sie bei uns leihen wollte, der Paketbote, der in Gedanken schon beim nächsten Kunden ist. Niemand hatte je darauf geachtet, wohin genau er oder sie den Fuß auf die Treppenstufe setzt. Und es wäre leicht gewesen, den Winzling mit dem groben Besen wegzukehren.

Das Veilchen fordert still, beachtet zu werden

Wer aber einmal auf das Veilchen aufmerksam wird, muss sich entscheiden: daran vorbeigehen, eine Stufe ganz auslassen und mit einem großen Schritt darüber hinweg, oder achtlos drauftreten. Drauftreten, das hat über viele Wochen niemand gemacht. Das Veilchen hat wundersamerweise überlebt. Es war einfach da und hat still eingefordert, beachtet zu werden.

Ein Friedens- und Hoffnungszeichen

In Zeiten des Kriegs gegen die Ukraine und all der anderen kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt wird mir das Veilchen zu einem Friedens- und Hoffnungszeichen. Woher der Samen kam, weiß niemand. Es ist - wie der Frieden - an einer Stelle gewachsen, wo das nach dem, was Menschen wissen, kaum möglich erscheint.

Es hat sich zwischen kalte, harte Steine gedrängt und die Menschen so aufgefordert, es zu beachten, sich anders zu verhalten als üblich, den Winzling der Hoffnung zu schützen und ihm Raum zu geben zum Wachsen.

Samen, die Wurzeln schlagen an unwirtlichen Orten

Ich hoffe, das Veilchen schafft es sogar, Samen zu entwickeln. Samen, die irgendwo neu Wurzeln schlagen, wo es kaum jemand für möglich hält: zwischen Geschützen und Panzern, in steinigen, matschigen, kalten Gräben zwischen Menschen, auf den Treppen zu den Zentren der Macht.

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