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Glücklich, wer nicht vergleicht
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Glücklich, wer nicht vergleicht

Heidrun Dörken
Ein Beitrag von Heidrun Dörken, Evangelische Pfarrerin, Senderbeauftragte für den Hessischen Rundfunk
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Wenn du vergleichst, wirst du unzufrieden. Kaum jemand schafft das, sich nicht mit anderen zu vergleichen. Immer ist jemand reicher oder schöner, erfolgreicher oder klüger.

Tagelöhner für die Arbeit im Weinberg

Wenn du vergleichst, wirst du unzufrieden. Jesus hat dazu eine Geschichte erzählt. (Matthäus 20,1-6)  Ein wohlhabender Gutsherr braucht Arbeiter. In Jesu Geschichte geht es um Saisonarbeiter. Wie jetzt beim Spargel oder den Erdbeeren. Zu Jesu Zeiten war der Dorfplatz die Agentur für Arbeit. Dort standen die Tagelöhner und warteten. Also geht der Gutsherr morgens hin, handelt den Tageslohn aus, einen Silbergroschen. Dann schickt er die Arbeiter in den Weinberg. Aber er braucht mehr. Nach drei Stunden sieht er weitere auf dem Markt. „Geht auch ihr in den Weinberg; ich will euch geben, was Recht ist.“ Das wiederholt sich noch dreimal. Die Letzten werden erst eine Stunde vor Arbeitsschluss eingestellt.

Alle Arbeiter bekommen einen Silbergroschen, egal wie lange sie gearbeitet haben

Abends wird ausgezahlt; die zuletzt Eingestellten kommen als Erste dran. Und da passiert das Ungewöhnliche: Alle erhalten einen Silbergroschen, ob sie nur eine Stunde oder den ganzen Tag gearbeitet haben. Einer protestiert, der schon morgens angefangen hat: „Das ist ungerecht. Wir haben des Tages Last und Hitze getragen, und die da haben nur eine Stunde gearbeitet!“

Sie vergleichen; sie sind unzufrieden. Haben sie nicht Recht? Ich verstehe die Protestierer. 

Die drei Argumente des Gutsbesitzers

Der Gutsbesitzer antwortet: Mein Freund, dazu sage ich dreierlei. Erstens: Du bist mit mir einig geworden und bekommst wie vereinbart dein Geld. Zweitens: Ich kann mit meinem Vermögen machen, was ich will. Und drittens: Bist du etwa neidisch, weil ich gütig bin?

Bezahlung nach Tarif

In der Bibel steht nicht, ob diese Antwort den Unzufriedenen überzeugt hat. Offenbar geht es in der Geschichte vor allem um die elementaren Bedürfnisse der Menschen. Dazu ist gut zu wissen: Der vereinbarte Lohn - ein Silbergroschen - entsprach dem Tagesbedarf einer ganzen Familie. Es stimmt also, was der Gutsherr gesagt hatte: Ich gebe euch, was Recht ist. „Recht“ heißt bei ihm: Nach Tarif. Aber auch: soviel jede und jeder braucht. 

Eigentum verpflichtet

Ein bemerkenswerter Arbeitgeber! Offenbar denkt er: Eigentum verpflichtet. Dieser kurze Satz steht im Grundgesetz in Artikel 14. Er ist Hugo Sinzheimer zu verdanken, dem Juristen und sozialdemokratischen Politiker. Es hat auch mit Sinzheimers jüdischem Glauben zu tun, dass er den Satz vom Eigentum, das verpflichtet, in die Weimarer Verfassung gebracht hat. (1) Unser Grundgesetz hat ihn übernommen.

Eigentum verpflichtet, so handelt der Gutsherr in der Geschichte. Jesus schließt sie so ab: So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.

Vor Gott gelten alle gleich viel

Damit ist das Vergleichen aufgehoben. Denn vor Gott gelten alle gleich viel. Gott liegen die wesentlichen Bedürfnisse der Menschen am Herzen. Aller Menschen. Besonders aber die der Schwachen und Zuspätgekommenen.

Jesus glaubte offenbar: So wie Gott können auch Menschen denken und handeln. Das zeigt seine Bitte im Vaterunser: Gottes Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Wo es so zugeht, erübrigt sich Vergleichen.

 


1  Weimarer Verfassung § 153, GG 14,2. Vgl. Abraham de Wolf, Hugo Sinzheimer und das jüdische Gesetzesdenken im deutschen Arbeitsrecht, Berlin 2015

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