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Brücken bauen im Alter - mit einem kleinen Lied
Bild: tania_van_den_berghen_pixabay

Brücken bauen im Alter - mit einem kleinen Lied

Dr. Susanne Nordhofen
Ein Beitrag von Dr. Susanne Nordhofen, Ehemalige Leiterin eines katholischen Gymnasiums in Königstein/Taunus
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„Komm, lieber Mai und mache die Bäume wieder grün, und lass uns an dem Bache die kleinen Veilchen blühn. Wie möchten wir so gerne ein Veilchen wiedersehen, ach lieber Mai, wie gerne einmal spazieren gehn.“

Dieses Lied ist für mich Frühling pur. Auch wenn dieser Frühling vom Krieg in der Ukraine verdunkelt wird: Im Wonnemonat Mai heitern sich Natur und Stimmung auf. Mozart hat das Lied in einem beschwingten Walzertakt vertont. Dieser Schwung überträgt sich schon beim Zuhören und erst recht, wenn man mitsingt. Früher gehörte das Lied zum festen Repertoire im Musikunterricht, jedes Kind konnte es auswendig singen.

Lieder können zur Brücke in vergangene Wonnemonate werden

In meiner Umgebung gibt es ein Tagesheim für demenzkranke Menschen. Das gemeinsame Singen gehört mit zum festen Bestand des Tagesprogramms. Meine Tochter hat dort ein Praktikum gemacht und erzählte sehr berührt: Ab und zu bemerken demente Menschen ja ihren Zustand und vergleichen sich mit früher. Das kann sie traurig machen. Beim gemeinsamen Singen aber erinnern sich die älteren Herrschaften plötzlich an Melodien, Rhythmen und Reime. Aus der Dämmerung des Bewusstseins taucht das eigene Leben wieder auf. In diesen lichten Momenten gewinnen die Kranken sich selbst zurück. Lieder können so zu einer Brücke in die eigene Vergangenheit werden - auch alte und gebrechliche Menschen hatten einmal ihre Wonnemonate!

Ehre deine Altvorderen, auch wenn sie schwächer werden

In der Bibel geht es an vielen Stellen um einen würdigen Umgang mit den Alten, den Eltern und den Großeltern. Im Buch Jesus Sirach heißt es ganz klar: „Kind, nimm dich deines Vaters an und kränke ihn nicht, solange er lebt. Wenn er an Verstand nachlässt, übe Nachsicht und verachte ihn nicht in deiner ganzen Kraft.“ Das gilt natürlich genauso für die Mütter. Die Beziehung zu den Älteren ist auch im vierten Gebot ausgedrückt: „Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr dir gibt.“

Wertschätzen, was die Älteren für uns getan haben

Die ältere Generation hat so viel für die nachfolgenden Generationen getan. Diese Menschen wertschätzen, das ist in einer alternden Gesellschaft wie der unsrigen mehr als eine Frage von Unterbringen und Pflege, so wichtig beides auch ist. Respektvoll und fürsorglich mit seinen alten Verwandten und Bekannten umgehen –das ist im Grunde ein Liebesgebot. Auch wenn es manchmal schwerfallen mag - wenn einen die eigene Mutter, der eigene Vater zum Beispiel nicht einmal mehr erkennen, auch dann: Die Liebe Gottes zu allen Geschöpfen ist der Maßstab.

Welches Lied würde ich mir aussuchen?

Wie viele andere hoffe ich natürlich, dass mir im Alter Krankheiten wie Demenz oder Alzheimer erspart bleiben. Dennoch frage ich mich: Welches Lied möchte ich mir aussuchen, das meine Tochter mit mir einmal singen könnte - welches könnte die Brücke zu mir selber sein? Zu meinen persönlichen Favoriten gehört auf jeden Fall: „Komm lieber Mai.“ Ich glaube, ich singe es heute schon mal.

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