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Das Seepferdchen und die Engel
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Das Seepferdchen und die Engel

Andrea Weitzel
Ein Beitrag von Andrea Weitzel, Katholische Schulseelsorgerin und Religionslehrerin, Hanau
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Klick! Klick! Mehr war nicht zu hören. Klick! Klick! Mehr war nicht geblieben von dem sonst so satten Motorengeräusch unseres Autos, das ertönte, kaum, dass der Schlüssel sich im Schloss drehte. Klick! Klick! Mein Blick auf die Rückbank spiegelte meinen eigenen Schrecken als stumme Enttäuschung in den Augen meines Sohnes wieder.

Lange hatte er auf genau diesen Mittwochnachmittag gewartet: coronabedingt zwei Jahre. Eine lange Zeit – umso mehr für einen kleinen Menschen. Zwei Jahre lagen zwischen seiner ersten Schwimmstunde und dem heiß ersehnten Seepferdchen. An diesem Mittwoch sollte er es endlich in seinen Händen halten können.

Schnell ging ich im Kopf alle Möglichkeiten durch: Fahrrad? Zu weit, zu lang. Bus? Von unserem Haus bis zum Schwimmbad leider ebenfalls zu lang. Der Nachbar! Schnell stiegen wir aus dem Auto aus. Schnell die Nummer gewählt. Das Freizeichen ertönte einmal, zweimal, … viele Male. Und so standen mein Sohn und ich mitten in unserer Straße und blickten uns an. Und jetzt?

Ich schaute die Straße runter – und hoch. Und da waren sie – wie aus dem Nichts aufgetaucht! Da näherten sich zwei Menschen, ein Ehepaar. Wir kannten uns aus unserer Kirchengemeinde, hatten uns längere Zeit nicht mehr gesehen. Doch mit einem breiten Lächeln winkten sie uns nun entgegen. Und sie halfen uns sofort, spontan, ohne lange Erklärungen. Der Mann schwang sich auf eines unserer Fahrräder und fuhr alsbald mit seinem Auto vor – und uns alle mit noch akzeptabler Verspätung zum Schwimmbad. Unser Sohn, sonst um kein Wort verlegen, hatte das die Sprache verschlagen. Er blickte mit großen Augen von einem zum anderen.

Später am Abend war er es, der diese beiden wunderbaren Menschen als unsere Engel bezeichnete. Unendlich glücklich und über das ganze Gesicht strahlend war er mir vom Training entgegengelaufen gekommen. In der Hand dieses kleine Stück Stoff, welches ihm in diesem Moment so viel bedeutete. Er war stolz und dankbar zugleich. Dankbar jenem Ehepaar, welches uns mit wissendem Blick und der Erinnerung an die Zeit mit ihren eigenen Kindern und Enkelkindern, geholfen hatte. So dankbar war unser Sohn, dass er sich die Geschehnisse des Nachmittags nur mit himmlischer Unterstützung denken konnte.

Engel?! Ich muss zugeben, dass ich mir mit dem Glauben an Engel als göttliche Boten schwertue. Ein so unmittelbares Einwirken Gottes in unsere Welt, dagegen sträubt sich etwas in meinem Kopf. Aber ich entdecke seit einiger Zeit, dass Engelfiguren nicht nur zu Weihnachten Häuser, Gärten, Hals- und sogar Handyketten zieren. Es erscheint mir offensichtlich, dass gerade darin im Alltag sichtbare Zeichen der gefühlten Nähe zu Gott oder der Suche danach zu entdecken sind. Weiter frage ich mich, ob sich darin auch tiefe menschliche Gefühle und Sehnsüchte wiederspiegeln, die über alles rational Erklärbare und Erfahrbare hinausweisen. Bei meinem Sohn wäre es seine tief empfundene Dankbarkeit, die nicht "ganz von dieser Welt" zu sein scheint. Völlig selbstverständlich und unaufgeregt bündelt er diese, seine Erfahrung im Begriff der "Engel" – und erstaunt mich damit. Das biblische "Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder"… schießt mir in den Kopf.

Und da meine ich, ein weiteres "Klick! Klick!" an diesem Tag zu vernehmen – eben in meinem Kopf! Klick: Schalte mal um von Verstand auf Gefühl! Klick: Trau Dich und trau Gott zu, dass er auf dich aufpasst und sich zu erkennen gibt – eben nicht nur in theologischen Gedanken, sondern im Alltag – manchmal in ganz menschlichen Gesichtern und Gefühlen. Oh ja – jetzt muss ich zugeben, dass ich mir genau das eigentlich wünsche. Als ich erkenne, dass es an mir liegt, das zuzulassen, da macht es einfach nur: Klick!

 

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